Ratingen: Zuhause in einem Schloss

Mehr als 30 Menschen leben im denkmalgeschützten Ensemble von Schloss Linnep. Hausherr Clemens Graf von Spee schon sein ganzes Leben lang.

Ratingen. "Der ganze Komplex hat seinen eigenen Geist, aber ich habe ihn nicht getroffen. Zumindest noch nicht", sagt Clemens Graf von Spee grinsend und hält einen Moment inne. Sein Blick schweift über das weitläufige Anwesen des Schloss Linnep. Schnell wird deutlich, dass der 79-jährige mit "Geist" kein spukendes Schreckgespenst meint.

Vielmehr strahlt alles an dem Anwesen eine geschichtsträchtige Erhabenheit, selbst die Ställe und das Vorgebäude mit dem Torbogen, durch den nach ein paar Schritten über den Vorhof und eine kleine Steinbrücke über einen Wassergraben hinweg das Wasserschloss mit dem rund 40 Meter hohen Turm zu erreichen ist. Zu dem Denkmal-Ensemble gehört auch noch die vorgelagerte Waldkirche Linnep.

Etwa seit 1850 ist das Schloss im Besitz der Familie von Spee. "Ich habe mein gesamtes Leben hier verbracht", sagt der Graf, der Land- und Forstwirtschaft auf dem Familiengrundstück betrieb. 150 Hektar Wald und 100 Hektar Land hatte er zu bewirtschaften. Vor einigen Jahren ist der langjährige CDU-Lokalpolitiker in Rente gegangen. "Jetzt kümmern sich meine Tochter und mein Schwiegersohn, das Baronenpaar von Ketteler, um alles."

Zudem machen die dreijährige Enkelin Madlenka und der anderthalbjährige Enkel Wilderich das große Gelände unsicher. "Für mich war es hier schon eine tolle Kindheit. Jetzt haben die Kleinen hier ihren Spaß beim Herumtollen und Spielen", sagt von Spee und blickt den großen, ehemaligen Verteidigungsturm hinauf, der mit über 1000 Jahren das älteste Teilstück des ganzen Komplexes ist. Der Turm dient heute friedlichen Zwecken - längst wurde er zu einer Kapelle ausgebaut. Einmal monatlich wird hier eine Messe abgehalten. Zwischen 1710 und 1850 wurden nach und nach um den Turm herum weitere Gebäude gebaut.

Neben den Erinnerungen an den Krieg, in dem auch Schloss Linnep von den Fliegerbombardements einiges abbekam, erinnert sich Clemens Graf von Spee vor allem an die Kälte und an die Wasserversorgung. "In meiner Kindheit wurden nur zwei bis drei Räume geheizt. Da musste man sich vor allem im Winter einen Mantel anziehen, wenn man über den Flur von Raum zu Raum gehen wollte", sagt von Spee.

Heutzutage seien die Räume alle beheizbar - teilweise per Zentralheizung, teilweise aber auch noch per Holzofen. Erst im Jahr 1935 wurden Wasserleitungen verlegt, zuvor musste das Wasser noch aus dem nahegelegenen Brunnen geholt werden.

"Komfort hin oder her. Man kann solch ein Anwesen nur erhalten und darin wohnen, wenn man es liebt und wenn alle mithelfen, es zu pflegen", sagt Clemens Graf von Spee. Deshalb ist er auch glücklich, sich um die Zukunft des Hauses keine Sorgen machen zu müssen. Heute kümmert sich die fünfte Generation der Familie um das Gemäuer: "Es ist schön zu sehen, dass es bisher für alle Familienmitglieder ganz normal war, das Anwesen zu erhalten."

Begriffe wie Kontinuität, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit würden in der heutigen Zeit nur noch selten groß geschrieben, beklagt der Graf. Doch auf Schloss Linnep ist das Gegenteil der Fall.