Rheinkalk-Tour: Vom Mond zur Karibik
Die WZ war bei der ersten Werksführung des Jahres dabei. Nur selten dürfen Besucher in die Kalkbrüche.
Im Kalkbruch Silberberg fühlen sich Besucher wie Spielfiguren in einem riesigen Sandkasten. Die unwirkliche Atmosphäre in der Mondlandschaft wird durch die umherfahrenden Monster-Radlader verstärkt, die mit mannshohen Reifen und zehn Tonnen Kalkstein auf dem Rücken jeden Besucherbus in die Schranken weisen.
Die Reise zum Mond dauert vom Paul-Ludowigs-Haus nur wenige Augenblicke, allerdings ist der Auswahlprozess für die Teilnehmer Nasa-ähnlich. Nur wer an einem bestimmten Tag morgens zum Telefon greift und sich einen Platz reserviert, hat eventuell die Chance an einer der begehrten Rheinkalk-Führungen teilzunehmen.
Einmal im Bruch, beginnt die Zeit des großen Staunens. Bernd Becks, Leiter der Werksführung, war selbst 49 Jahre bei Rheinkalk in der Qualitätsüberwachung und leitet seit zwei Jahren externe Besuchergruppen in die künstlichen Canyons. Schon bei der Einfahrt in das Rohdenhauser Areal versorgt Becks die Gäste mit einer Hand voll Informationen. „Der Kalkstein, der hier gewonnen wird, ist eine Millionen Jahre alte Ablagerungen von Muscheln und Schalentieren“, erklärt er. 30 000 Tonnen Kalkstein muss das Werk jeden Tag fördern, um wirtschaftlich zu sein. „Geschätzt ist hier 2045 Schluss. Es gibt dann zwar noch Kalkstein in Wülfrath, aber da stehen Häuser drauf“, berichtet Becks. Die Zukunft des Abbaus liege dann im Sauerland.
Bis dahin gibt es aber noch viele Bodenschätze zu heben. Das wird im Steinbruch Silberberg deutlich. Das Abbaugebiet zwischen Wülfrath und Tönisheide wurde erst 2006 erschlossen. Rheinkalk baggert und sprengt sich seither trichterförmig in den Boden. So entstehen immer neue Plateaus, die nach unten immer kleiner werden. „Hier kommen wir noch 100 Meter tiefer“, sagt Becks. Irgendwann, wenn am Silberberg der Kalkvorrat erschöpft ist, kommen die Besucher vielleicht mit Badehosen statt Bauhelmen. Sobald man aufhört, das Grundwasser abzupumpen, füllt sich die Grube und wird zum See.
Den Beweis dafür liefert der ehemalige Steinbruch Prangenhaus. „Wie in der Karibik“, ruft eine Besucherin aus, als sie den türkisfarbenen See sieht. Seit 1994 wird hier nicht mehr abgebaut, jetzt ist das Loch ein Sedimentationsbecken. Das Wasser lässt Badegelüste hochkommen, doch Schwimmen ist verboten. Bernd Becks erklärt die Farbe: „Feinste Ton- und Lehmbestandteile brechen das Licht.“
Ralf Homberger und seine Seniorengruppe sind von der Führung begeistert. „Wir haben es im letzten Jahr schon einmal versucht, doch das Warten hat sich gelohnt“, sagt er. Auch weil das Wetter kooperierte. Nur in einem Punkt hatte die Gruppe Pech: Eine größere Sprengung stand nicht an. Vielleicht ein Grund, nochmal wieder zu kommen. Bis 2045 ist ja noch Zeit.