Seit 110 Jahren vor Anker
1901 wurde das heutige Gasthaus „Deutsche Flotte“ an der Wilhelmstraße eröffnet. Inhaberin Christel Jacob hat dort seit 35 Jahren das Kommando.
Wülfrath. Ein ganz normaler Freitagabend in der „Flotte“. Inhaberin Christel Jacob steht hinter dem Tresen. Die 64-Jährige zapft ein Getränk nach dem anderen und reicht sie ihren Gästen herüber. Ihr Mann Klaus (61) hilft mit, denn nicht nur die Theke ist rundherum besetzt, sondern auch die meisten der Tische. Kellnerin Moni huscht mit einem Tablett voller Altbier durch den schmalen Tresenausgang und schlängelt sich zwischen den Gästen hindurch. Am Stammtisch des Lokals findet das Bier dann seine Abnehmer.
So oder so ähnlich verlaufen die Abende in der Kneipe, die mit vollem Namen „Deutsche Flotte“ heißt, seit mehr als einem Jahrhundert. Christel und Klaus Jacob können in diesem Jahr ein doppeltes Jubiläum feiern. Nicht nur, dass das Lokal mittlerweile seit 110 Jahren in Familienbesitz ist. Auch Christel Jacob feiert ihr 35-jähriges Dienstjubiläum. Am 30. April wollen es die Jacobs in der „Flotte“ deshalb krachen lassen: Zum Tanz in den Mai laden sie schon ab mittags dazu ein, im Biergarten mitzufeiern.
Aus Tradition wird es dann auch Sahneheringsfilet mit Pöttjesärpeln geben. Schließlich waren die männlichen Vorfahren von Christel Jacob allesamt bei der Marine — angefangen bei Moritz Hilger, der die Wirtschaft 1901 übernahm. Damals hieß das Lokal sogar noch „Zum ollen ehrlichen Seemann“. Fotos aus dem „Familienalbum“ der Kneipe zeigen die damaligen Inhaber in Seemannstracht.
Am 13. Januar 1976 stand Christel Jacob das erste Mal als Chefin hinterm Tresen. Der Einstieg war nicht leicht. Damals war die „Flotte“ durchgehend geöffnet, um viele Gäste anzuziehen. So wie es sich für eine Kneipe gehört, ist in den letzten 35 Jahren viel passiert. „Es gibt immer mal verrückte Geschichten. Aber die Leute leben alle noch, und Verschwiegenheit gehört zu meinem Job“, sagt Christel Jacob und grinst verschmitzt.
Dass es auch ab und zu hoch her geht, steht außer Frage. Vor allem die Karnevalsfeiern im Saal sind bei den Gästen legendär — dann macht Klaus Jacob Stimmung als jecker Discjockey. Stets dabei: Die rund 50 „Jungs und Mädels“ vom Stammtisch. Seit 27 Jahren fahren sie auf Pfingsttour, demnächst nach Stade. Was macht die „Flotte“ aus? „Die Gäste kennen sich, es ist sehr familiär“, sagt Ingrid Herbold (59). Dass diese Familiarität auch mal ein Hemmnis für neue Gäste ist, kann sich Klaus Jacob vorstellen, auch wenn Neulinge herzlich eingeladen sind. Das kann Erika Wiebeling bestätigen. „Mein Mann ist früher immer hier hingegangen. Als er starb, haben seine Freunde mich in die ,Flotte’ geholt. Ich wurde toll aufgenommen“, sagt die 64-Jährige.
Dass es weniger Kneipen in der Stadt gibt, stört auch das Ehepaar Jacob. „Es liefe für alle Wirte besser, wenn in Wülfrath mehr los wäre“, sagt Klaus Jacob. Auch wenn es ihnen immer noch Spaß macht, versuchen die beiden aufgrund ihres Alters in den kommenden zwei Jahren einen Nachfolger zu finden. „Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass unser Sohn die Gaststätte übernimmt“, setzen sie auf eine erfolgreiche Fortsetzung der Familientradition.