Velbert: Kassandras Peiniger drohen zehn Jahre Haft
Prozess: Nach dem Geständnis des Angeklagten bleibt der Neunjährigen eine Aussage vor Gericht erspart. Das könnte die Strafe mildern.
Wuppertal/Velbert. Im Fall der im September erst misshandelten und dann in einen Kanalschacht geworfenen Kassandra (9) aus Velbert hatte sich das Landgericht Wuppertal auf einen langwierigen Indizienprozess eingestellt. Denn bis zum gestrigen Prozessbeginn hatte der erst 15 Jahre alte Angeklagte, dem versuchter Mord vorgeworfen wird, zu den schweren Vorwürfen eisern geschwiegen.
Nach Ende des ersten Prozesstages, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, kam die große Überraschung: Der Angeklagte habe ein Geständnis abgelegt, berichtet seine Verteidigerin Astrid Denecke. "Ich denke, er ist erleichtert, ein Geständnis abgelegt zu haben. Damit erspart er Kassandra eine Aussage vor Gericht. Das, was mein Mandant jetzt an Sanktionen zu erwarten hat, bemisst sich an den Einschätzungen des Sachverständigen. Diese wird er uns noch mitteilen", erklärte Denecke.
Zahlreiche Medienvertreter hatten sich am Morgen bereits lange vor Prozessbeginn vor dem Landgerichtsgebäude postiert, um einen Blick auf den Angeklagten oder Kassandras Vater zu erhaschen, hatten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenkläger zu einem kurzen Statement bewegen wollen. Doch die Prozessbeteiligten gaben keinen Kommentar ab. Einzig Staatsanwalt Rüdiger Ihl hatte noch einmal betont, wie dicht die Beweislage aus seiner Sicht ist: "Wir haben jede Menge Spuren und Zeugenaussagen - aus meiner Sicht reicht das für eine Verurteilung."
Die Öffentlichkeit ist von dem Verfahren komplett ausgeschlossen. Der Junge, der schon früher durch Prügeleien aufgefallenen sein soll, soll im vergangenen September der neunjährigen Kassandra in Velbert-Neviges zwei Mal mit einem Stein ins Gesicht geschlagen zu haben. Nach der ersten Attacke ließ der Junge nach Überzeugung der Ermittler sein Opfer schwer verletzt auf dem Boden liegen. Dann habe er das Mädchen in den Kanalschacht gestoßen, damit sie dort stirbt. Nach sieben Stunden wurde das stark unterkühlte Kind von einem Spürhund gefunden. Die Neunjährige erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere innere Organe waren verletzt. Sie wurde mehrere Tage ins künstliche Koma versetzt, konnte die Klinik nach zwei Monaten verlassen.
Heute gehe es dem Mädchen körperlich weitestgehend gut, sagte am Mittwoch Holger Boden, Anwalt der Familie. Sie tritt im Prozess als Nebenkläger auf. Wie es ihr seelisch gehe, könne man aber nur erahnen. Erinnern könne sich das Mädchen, das sich in psychologischer Behandlung befindet, derzeit an nichts. Kassandras Vater sei nach dem Geständnis "um ein Vielfaches erleichtert", so Boden. Man habe die berechtigte Hoffnung, dass ihr die "Tortur" einer Aussage erspart bleibe und das Geschehen nun aufgearbeitet werden kann.