Wolf Wiedemann singt von alten Zeiten

Korschenbroicher Gitarrist erinnert musikalisch an das legendäre Konzert in Woodstock.

Foto: Dietrich Janicki

Wülfrath. Neun Musikalben voll eigener Versionen der bedeutendsten Hippiefolk-Klassiker hat Wolfgang Wiedemann bislang veröffentlicht. Deren schlichtschöne Melodien sind seine Leib- und Magenmusik. Unter dem Künstlernamen „Wolf Guitar“ und einem aus diesem meerweiten Repertoire geschnürten Programm „Woodstock and more“ tat der Korschenbroicher gemeinsam mit 30 zahlenden Musikenthusiasten im Kommunikations-Center einen Schritt zurück ins kollektive Kulturgedächtnis. So verschwommen dort einiges scheint, Gastgeber Bernd Kicinski war sich zum Thema „Woodstock Music and Art Festival“ sicher: „Ich jedenfalls war damals nicht dabei.“

Die geheimen Pforten des aus Legenden gewobenen Wiesentreffs konnte nur Wiedemann öffnen. Und einer Koryphäe neigt man zu glauben, wenn er beschwört, dass es seinerzeit nur die Hälfte der eine Million Folkfans bis auf das Festivalgelände geschafft hätte: „Die anderen 500 000, so sagt man, haben sich auf den Weg nach Wülfrath gemacht.“ Einen ersten Fußabdruck in die saftigen Weiden des historischen Liedguts setzte Wiedemann mit John B. Sebastians „I Had A Dream“. Der Sänger war damals spontan auf die Bühne gegangen und hatte die Massen mit der mesmerisierenden Weise auf Harmonie eingestimmt. Nicht weniger lässig daher kam „Coming into Los Angeles“ von Arlo Guthrie, der nach diesem Song von der Betheler Bühne verkündete: „The New York State Thruway is closed, man!“ Wiedemann steht felsenfest und bärenstark wie Johnny Cash hinter seinem Mikro. Seine Stimme fasziniert, denn sie beruhigt ungemein; so als stünde Manuel Neuer hinter einem. Er changiert zwischen der Rauheit von Chris Rea und der Choristenhöhe von Sting und bleibt doch eigen.

Bereichernd wirkte, wie Wiedemann nicht die allergrößten Hits, sondern fast Vergessenes ins Rampenlicht holte. Zum Niederknien kann mancher da die Geisterbeschwörung „Joe Hill“ von Joan Baez kennenlernen. Jimi Hendrix etwa hatte neben der oft zitierten Napalm-Hymne einen für seine Verhältnisse sehr einfach gehaltenen Blues namens „Red House“ vorgetragen. Auch das Woodstock-Lieblingslied von Hendrix kam zu Gehör. „If I were a Carpenter“, das Tim Hardin einst in den Sonnenuntergang raunte, passte fügig in die Schlupkothener Kulturschreinerei.

Die am eindrücklichsten wirkende Sequenz des bekannten Dokumentarfilms über Woodstock ist der Eröffnungsauftritt von Ritchie Havens und dessen aufrüttelnden Spiritual „Motherless Child“. Davon gelang Wiedemann eine authentische, wenn auch auf Zehntellänge gekürzte Kopie. Dass es zum politisch-poetischen Woodstock auch rockig-rustikal abgehen sollte, stellt die Johnny Winter Band mit dem Abrissbirnenschlager „Johnny B. Goode“ klar. Für solche saftigen Stücke hatte Wiedemann extra eine E-Gitarre mitgebracht. Gemeinschaftlich mit Publikum und Überraschungsgast Thomas Görres, der hervorragend die Mundharmonika führte, sorgte ein sanftmütiges „Knockin’ on Heaven’s Door“ für Woodstocks Zauberzutat: dem Gefühl vom Boden abzuheben.