Wülfrath: Chef auf dem Wochenmarkt

Als Marktmeister ist Richard Seidler für den reibungslosen Ablauf verantwortlich. Dienstbeginn ist im Morgengrauen.

Wülfrath. Richard Seidler (68) sitzt auf der roten Ledercouch in seinem Wohnzimmer. "Hier wurde ich geboren", sagt er und zeigt direkt neben sich. Auf die Stelle, wo er das Licht der Welt erblickte in seiner Heimatstadt, der er seither nie für mehr als ein paar Urlaubswochen den Rücken gekehrt hat.

Natürlich gab es damals noch nicht diese Couch, aber die Wohnung in der Kirschbaumstraße war schon die Wohnung der Eltern von Richard Seidler. Er hat sie übernommen, gemeinsam mit seiner damals noch jungen Ehefrau. Mittlerweile sind die Seidlers 45 Jahre verheiratet und denken darüber nach, ob sie in zwei Jahren wegen der gesunden Seeluft nach Norddeutschland ziehen sollen. Entschieden ist noch nichts. Und wenn man Richard Seidler zuhört, kann man sich auch schlecht vorstellen, dass der Marktmeister seiner Heimatstadt wirklich Lebewohl sagen könnte. Seit zehn Jahren steht er jeden Samstagmorgen in aller Herrgottsfrühe auf dem Marktplatz, um nach dem Rechten zu sehen.

Um halb vier klingelt der Wecker, Seidler ist immer pünktlich. Eigentlich würden die Marktbeschicker auch ohne ihn ihre Standplätze finden. "Aber ich räume vorher immer erst den Müll weg, den die Jugendlichen liegen lassen", sagt er. Die Standbetreiber sollen sich wohl fühlen und gerne zum Wochenmarkt nach Wülfrath kommen. Oft kommen zwei Plastiktüten voller Müll zusammen, in der Tiefgarage noch leere Schnapsflaschen.

"Wenn ich das mit dem Markt nicht machen würde, würde mir wohl was fehlen", gesteht Richard Seidler. Manchmal erfährt er dort Dinge, die er noch nicht mal seiner Frau erzählt. "Das ist wie beim Friseur", sagt er.

Bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund ist Richard Seidler aber nicht erst, seit er als Marktmeister für die Stadt arbeitet. Bevor ihn der damalige Ordnungsamtsleiter in Amt und Würden hob, hat er als Verkehrsaufseher auf Wülfraths Straßen für Ordnung gesorgt. "Ich war als Knöllchenschreiber unterwegs", erinnert sich Seidler an 19 lange Jahre, die ihn zum Schluss mehr zu Herzen gegangen sind, als es ihm lieb war. "Hier haben Tag und Nacht Leute angerufen und sich über Strafzettel beschwert", zeigt er auf sein Telefon. Irgendwann hat ihm die Stadt einen Anrufbeantworter spendiert - geholfen hat es nicht. Seidler bekam einen Herzinfarkt und konnte seinen Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr machen.

Seine Arbeit als Marktmeister ist ihm dagegen längst zur Herzenssache geworden. Dabei gibt es auch dabei immer wieder mal Gegenwind - so, wie bei der Neuordnung des Marktes vor ein paar Monaten. Bis sich die Marktbeschicker an die veränderten Standplätze gewöhnt hatten, musste sich Seidler so einiges anhören. "Ich war am Anfang auch gegen die neue Marktordnung, aber jetzt sehe ich das anders", gesteht er.

In zwei Jahren feiert Richard Seidler seinen 70. Geburtstag. Eigentlich will er dann seinen Job als Marktmeister an den Nagel hängen. So richtig vorstellen kann er sich dass allerdings noch nicht.