Wülfrath: Obdachlosenbeauftragte Randi Selzener - Eine Frau für schwere Fälle
Seit fünf Jahren betreut Randi Selzener in Wülfrath Obdachlose. Mit viel Geduld macht sie immer neue Hilfsangebote.
Wülfrath. Die Briefkästen hängen ordentlich in der Reihe. Mit Namensschildern, so wie es die Hausordnung vorschreibt. Das ist aber auch schon alles, was in der Obdachlosenunterkunft im Schlupkothen an Normalität erinnert. Denn was sich hinter den Zimmertüren abspielt, ist von einem normalen Leben weit entfernt.
In vielen Zimmern stapelt sich der Müll. Genau so wie sich die Last des Lebens auf die Schultern der Männer aufgetürmt hat, die in diesen Zimmern wohnen. Alkohol, Drogen, keinen Job und keine Wohnung: Das sind die Probleme der Bewohner im städtischen Obdach. Meist haben sie sich so hoch angesammelt, dass die Betroffenen keinen Ausweg mehr sehen. Und manchmal auch keinen mehr finden wollen und so jahrelang auf der Stelle treten.
Erst vor ein paar Monaten ist einer der Bewohner in seinem Zimmer gestorben. Weil die Männer für sich selbst verantwortlich sind und nicht jeden Tag jemand nachschauen kann, ob alles in Ordnung ist, hat es ein paar Tage gedauert, bis der Mann vermisst und später tot aufgefunden wurde. "Das sind Erlebnisse, da kommt man schon an seine Grenzen", sagt Randi Selzener.
Die Mitarbeiterin der Wülfrather Stadtverwaltung betreut die Obdachlosenunterkünfte in Schlupkothen und im Maushäuschen. Dienstags ist bei den Männern im Schlupkothen Beratungstag. Dann geht Randi Selzener mit einer Kollegin der Bergischen Diakonie durch die Flure, klopft an jede Tür und hört und sieht nach dem Rechten. Nicht immer macht jemand auf. Und wenn doch, geht es um Formulare, das Geld von der Arge oder die Krankenversicherung.
Es sind die alltäglichen Dinge, mit denen sich vor allem die Männer nicht zurechtfinden. "Frauen sind strukturierter. Die finden eher einen Weg aus der Krise", weiß die Obdachlosenbetreuerin.
Krise - das ist das Wort, dass eigentlich über allem schwebt in dem Obdachlosenheim. Die meisten Bewohner haben eine Geschichte, wie sie sich überall zutragen könnte. Den Job verloren, kein Geld, die Partnerschaft geht in die Brüche: In Zeiten wie diesen kann ein Leben schnell in sich zusammenstürzen. "In so eine Lage kann man schneller kommen, als man glaubt", weiß Randi Selzener. Deshalb versucht sie, mit viel Geduld immer neue Hilfsangebote zu machen. Oft greift sie allerdings auch konsequent durch - zum Beispiel, wenn es um die Ordnung im Haus geht. Als sie vor fünf Jahren die Stelle als Obdachlosenbetreuerin übernommen hat, hat sie das Haus in Schlupkothen erst einmal sauber machen lassen.
"Den klassischen Obdachlosen auf der Parkbank mit einer Flasche Rotwein gibt es so eigentlich nicht mehr", erzählt sie. Vor allem bei Frauen gebe es eine hohe Dunkelziffer. "Viele bleiben in schlechten Beziehungen oder kommen irgendwo unter."
Dass sie die Menschen mitten in der Krise antrifft, gehört zu ihrem Arbeitsalltag. Dass sich die meisten allerdings erst melden, wenn es schon lichterloh brennt, kann sie nicht verstehen. "Es wäre besser, die Leute würden früher kommen und nicht erst, wenn sich die Probleme und die Schulden bis ins Uferlose aufgetürmt haben."
Dass sie die Menschen oft an ihrem persönlichen Tiefpunkt trifft, macht den Alltag für die Obdachlosenbetreuerin nicht leicht. Noch schwerer wird es allerdings, wenn es nur in kleinen Schritten oder manchmal auch gar nicht vorangeht. "Man muss sich sagen: Es gibt immer eine Lösung", sagt Randi Selzener. Ihre Entscheidung, sich vor fünf Jahren auf die Stelle zu bewerben, hat sie jedenfalls noch keinen einzigen Tag bereut.