Bei der Kundgebung zum Tag der Arbeit auf dem Laurentiusplatz hat die Farbe Rot am Donnerstag deutlich im Vordergrund gestanden. Gleich mehrere Gewerkschaften (Verdi, IG BCE oder GEW), der Dachverband DGB, Parteien (SPD oder Linke) setzten bei der mittäglichen Kundgebung und dem anschließenden Familienfest mit Live-Musik auf die Signalfarbe. Für vereinzelte Farbsprengsel im Gros der roten Faltpavillons sorgten unter anderem Grüne (Farbe eben jene), Amnesty International (Gelb), das Bündnis Sahra Wagenknecht (Weiß) oder die MLPD (Schwarz).
Zu diesem breit gefächerten Info-Angebot gesellten sich auch Friedensgruppen, Globalisierungskritiker und Initiativen gegen Rassismus. An ihren Ständen verteilten sie Broschüren, Aufkleber und allerlei „Giveaways“ zur Eigenwerbung. Rund 20 Organisationen und Initiativen aus dem links orientierten politischen Spektrum kamen so zusammen. Das übergreifende und bundesweite Motto hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Veranstaltungen zum 1. Mai mitgegeben: „Mach dich stark mit uns!“
Dieses Motto bekräftigte auch der Vorsitzende des DGB-Stadtverbandes Wuppertal, Guido Grüning. Es gehe darum, sich für eine solidarische Gesellschaft und eine starke Wirtschaft, für Vielfalt und Demokratie sowie gegen Hass und Hetze einzusetzen. In der Spitze bis zu 1000 Menschen fanden sich nach Angaben des DGB auf dem Laurentiusplatz für diese und weitere Forderungen ein. An einem Demonstrationszug vom Hauptbahnhof zum Laurentiusplatz hatten sich zuvor rund 400 Menschen beteiligt.
Im Namen der Stadt überbrachte Bürgermeister Heiner Fragemann aufmunternde Worte. Der SPD-Politiker lobte die Errungenschaften, die durch „die Arbeiterbewegung erkämpft wurden“ – das seien etwa ein „starker Sozialstaat, humane Arbeitsbedingungen, demokratische Mitbestimmung“. Der Blick in die USA zeige, wie schnell solche Errungenschaften wieder zurückgedreht werden könnten. Zugleich drang Fragemann darauf, dass das von der künftigen Bundesregierung geplante Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro auch „in den Städten ankommen“ müsse.
Das Bergische Land befinde sich in einem Transformationsprozess, der vor allem die Industrieunternehmen in der Region vor Probleme stelle. „Innerhalb von zwei Jahren wurden rund 2800 Arbeitsplätze abgebaut“, mahnte er. „Doch unsere Region ist innovationsfreudig und hat ein großes Potenzial.“
Der Wuppertaler DGB-Vorsitzende Grüning räumte ein, dass Deutschland „eine tiefe wirtschaftliche Krise“ erlebe, von der vor allem die Industrie betroffen sei. Deshalb sei es „wichtig, um jeden Industriearbeitsplatz zu kämpfen“. Mit Blick auf die neue Bundesregierung machte der Gewerkschafter seine Vorstellungen deutlich: „Die schwarz-rote Koalition muss gemeinsam nach Lösungen suchen!“ Hier seien wichtige Weichen gestellt: Die Reform der Schuldenbremse sei auf dem Weg, die Bereitstellung des Sondervermögens für Infrastruktur beschlossen, auch der Erlass der Altschulden in den Kommunen sei geplant, wenn auch noch nicht ausreichend finanziell ausgestattet.
Mit Blick nach Düsseldorf pochte Grüning auf das von der Landesregierung angekündigte Tariftreuegesetz. Ein solches Gesetz sei der „Schlüssel für gute Arbeitsbedingungen“. Öffentliche Aufträge dürften nur an jene Unternehmen vergeben werden, die ihren Beschäftigten Tariflohn zahlten. In Abgrenzung zur AfD bekannte sich der Gewerkschafter zudem zur Einwanderung: „Migration ist Teil der Lösung!“
Die Forderungen der DGB-Einzelgewerkschaften brachten sechs Vertreterinnen und Vertreter von IG BCE, GEW und Verdi zur Sprache. Sie forderten unter anderem mehr Investitionen in die Infrastruktur, eine gerechtere Bildungspolitik und eine bessere Unterstützung der Politik für den öffentlichen Dienst. Welche Wünsche die Bürger an die politischen Vertreter haben, konnten sie zudem aufschreiben und am Verdi-Stand auf eine Standwand heften.
Manchen Beteiligten des Tages ging es allerdings weniger um Wirtschafts- oder Arbeitsfragen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes um Krieg und Frieden. Dazu gehörte Sonja Kies vom Wuppertaler Friedensforum, die mit Plakaten an Bauch und Rücken sowie einer weißen Fahne in der Hand durch die Reihen schritt: „Abrüsten statt Aufrüsten“ lautete ihre Forderung. Man wolle den Tag der Arbeit dazu nutzen, darauf aufmerksam zu machen, „was für eine schreckliche Politik mit Aufrüstung verbunden“ ist, sagte sie. Damit setzte das Friedensforum durchaus einen Kontrapunkt, wurde das Thema Aufrüstung in den offiziellen Reden doch nicht angeschnitten.
Auch das autonome Spektrum meldete sich lautstark
Doch der 1. Mai in Wuppertal war mehr als eine DGB-Veranstaltung. Am Nachmittag verlagerte sich der Protest: Auf dem Schusterplatz feierten autonome Gruppen ihr Straßenfest, begleitet von Musik, Essen und kämpferischen Reden. Um 15.30 Uhr begann das traditionelle „Autonome Radrennen“. Höhepunkt war der sogenannte „Sternmarsch“ in Richtung Autonomes Zentrum (AZ) an der Gathe. In diesem Jahr setzten die Aktivisten auf ein neues Konzept: 22 „Blitzdemos“ sollten sternförmig zum AZ laufen. Hintergrund ist die Erfahrung der Vorjahre, als Polizeieinsätze größere Demozüge teils verhinderten, da sich kein Veranstaltungsleiter findet.
Begleitet wurden diese Aktionen von kämpferischen Parolen: Das Autonome Zentrum sei ein „Bollwerk gegen Faschismus“ und „unverzichtbar für den Widerstand“. In Redebeiträgen wurde scharfe Kritik an der geplanten Zusammenarbeit der Stadt mit der islamisch-konservativen Organisation DITIB laut.
Der geplante Demonstrationszug wurde erneut durch Kesselungen der Polizei unterbunden, alle Veranstaltungen verliefen friedlich. Nur vereinzelt marschierten Kleingruppen. In der Nacht kam es im Stadtteil Falkenberg zu mehreren Graffiti-Aktionen, die laut Staatsschutz dem linksextremen Spektrum zugeordnet werden.