Wülfrath: Sozialarbeit mit der Kettensäge

Verurteilte Jugendliche müssen in der Kälte schuften – eine Strafe, die allen etwas bringt.

Wülfrath. Gefräßig verbeißt sich das Metall ins Holz und spuckt kreischend kleine Späne aus. In Zehn-Sekunden-Intervallen setzt Uwe Mens die Kettensäge an, drängt sie durch Stämme und dicke Äste. Es ist kalt am Fuße der Halde am Zeittunnel. Der Wind pfeift.

Der Sozialarbeiter der pädagogischen Familienhilfe verschenkt keine Zeit. Arbeiten hält warm. Seinen Assistenten muss er keine Hinweise geben. Sie packen zu, heben an, reichen weiter und stapeln das gesägte Holz. Es ist keine normale Gartentruppe, die Dirk Wermelskirchen an diesem Samstagnachmittag anleitet.

Zehn straffällig verurteilte Jugendliche leisten hier unter der Leitung des Jugendgerichtshelfers aus Mettmann Sozialstunden ab. Dass davon der Zeittunnel profitiert, hat die Wülfrather Einrichtung dem Verein "Neue Wegee.V." zu verdanken, der diese andere Art der Strafe initiiert hat.

Fällen, sägen und schreddern an einer Kultureinrichtung: Der typische Job für junge Straffällige ist das nicht. Wermelskirchen weiß das. "Das ist so gewollt", betont er. Es sei ein Anliegen von "Neue Wege e.V.", den jungen Menschen Tätigkeiten zur Ableistung der Sozialstunden anzubieten, "die sinnvoll sind, aber auch näher an deren Lebenswirklichkeit".

Handreichungen im Altenheim seien da eher ferner, so der Jugendgerichtshelfer. Bei dieser körperlichen Arbeit könnten sich die Jugendlichen "richtig auspowern". Das habe für die Betroffenen eine andere Qualität. "Das positive Gefühl, das sie dabei erhalten, trägt zum Ziel bei, weitere Straftaten zu verhindern."

Die Jungs sind eifrig bei der Sache. Neben der Naturbühne schichten sie Äste. Auf einem Anhänger stapeln sie das kleine, kamingerecht gesägte Holz. Es wird nicht viel geredet, aber immer wieder gelacht. Die Stimmung scheint gut zu sein, auch wenn Holzfällen im Neuschnee alles andere als angenehm ist. "So eine Aktion ist gut für den Zusammenhalt in der Gruppe", sagt Leon (Namen von der Redaktion geändert).

Für ein "paar Kleinigkeiten" sei er verurteilt worden, "Diebstahl und Einbrüche und so", sagt der 17-Jährige. Die Arbeit draußen und mit Holz findet er gut, auch dass es anstrengend ist. "Da geben wir ein gutes Zeichen, dass wir uns bessern wollen. Das zeigt, dass man es echt will." Außerdem sei das für eine gute Sache, "für die Allgemeinheit eben". Wermelskirchen hört das gerne und nickt zustimmend.

Fred (18) sieht es nüchterner. Bei ihm hat man Marihuana entdeckt. "Ich bin verurteilt worden und stehe zu meiner Schuld." Er sagt’s mit einem Schulterzucken. Hier zu arbeiten sei besser, "als eine Geldstrafe zu zahlen". Wermelskirchen schaut, als ob er eine andere Antwort oder Haltung passender gefunden hätte.

Etwas abseits schaut Andrea Gellert, neuerdings Leiterin der Wülfrather Fachabteilung Kultur und vor allem Kuratorin des Zeittunnels, den Arbeiten zu. Für die finanziell notorisch klamme Einrichtung ist die Unterstützung durch "Neue Wege e.V." ein Glücksfall. "Zuerst wollten die Jungs das Umfeld im Vorgriff auf den Saisonstart herrichten. Da ist nach dem Winter so einiges nötig", so Gellert.

Bei der letzten Begehung wurde dann aber festgestellt, dass eine ganze Reihe an Bäumen auf der Halde oberhalb der Naturbühne nicht mehr standfest waren. "Da geht es um Verkehrssicherungspflichten", weiß Gellert. Und obwohl Rodungs- und Grünschnittarbeiten bis Ende Februar wegen der anstehenden Brutzeit abgeschlossen sein müssen, gab es zur Fällung keine Alternative. Gellert: "Nicht auszudenken, dass in der Saison ein Baum auf die Bühne gestürzt wäre." So gab es von der Unteren Landschaftsbehörde eine Sondergenehmigung.

Jetzt zahlt sich der Kettensägenführerschein des Sozialarbeiters aus. Andrea Gellert reicht Plätzchen in die Runde. Und schon schmeißt Uwe Mens das Gerät wieder an.