Gräber sind vor Dieben nicht sicher
Dennis Tuehl gibt sich viel Mühe, das Grab seines Sohnes schön zu gestalten. Jetzt wurden bereits zum fünften Mal Gegenstände von der Ruhestätte gestohlen.
Viersen. Frische Rosen in einer Vase, auf der „Du fehlst!“ steht, ein selbst gemaltes Kinderbild neben dem Grabstein, geschützt vor der Witterung in einer Plastikfolie, und ein kleines Kreuz mit einem weinenden Engel — das Grab von Eyvind Anker ist bunt und kindlich geschmückt. Nur wenige Stunden durfte der Säugling leben, dann schlief er ein. Morgen ist das genau ein Jahr her. Dennis Tuehl besucht das Grab seines Sohnes fast täglich, häufig bringen er und seine Lebensgefährtin kleine Geschenke mit. Keramikfiguren oder Spielzeuge. „Anders können wir ihm ja nichts mehr schenken“, sagt der 33-Jährige. Fassungslos macht ihn, dass diese persönlichen Mitbringsel regelmäßig gestohlen werden.
Das erste Mal passierte es im Februar. „Da war fast alles weg“, erinnert sich Tuehl. Der Viersener erstattete Anzeige, ohne Erfolg. Seitdem erwartete ihn bereits fünf weitere Male eine böse Überraschung beim Friedhofsbesuch, zuletzt am vergangenen Donnerstag. Das Kreuz mit dem weinenden Engel fehlte, ein Keramikschneemann und der kleine rote Zug mit dem Nikolaus, den er in der Adventszeit mitgebracht hatte.
Der Ort des Erinnerns wird dadurch zu einem Ort, an dem die Trauernden Respektlosigkeit erleben. „Ich verstehe nicht, wie man von einem Kindergrab stehlen kann und was die Diebe damit wollen“, sagt Tuehl wütend. „Diese Sachen sind nicht teuer, aber sie haben für uns einen großen ideellen Wert.“ Die fehlenden Geschenke hat er ersetzt. Eines davon, den kleinen Schneemann, musste er bereits am Tag darauf wieder aus einem nahegelegenen Busch fischen. „Seine drei Geschwister bringen auch manchmal Kleinigkeiten vorbei“, sagt Tuehl. „Wenn die dann beim nächsten Besuch fehlen, ist das für uns alle besonders belastend.“
Dennis Tuehl
Diebstähle auf Friedhöfen sind keine Seltenheit. Besonders auf Gegenstände aus Metall haben es einige Täter abgesehen. In Viersen wurden 2016 insgesamt 17 Fälle zur Anzeige gebracht. „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer hoch ist und viele Fälle nicht angezeigt werden, weil sie häufig nicht von der Versicherung übernommen werden“, so Sprecher Wolfgang Goertz von der Kreispolizei Viersen.
Für die Beamten sei es aus mehreren Gründen schwierig, einen Ermittlungsansatz zu finden. „Es ist häufig dunkel auf Friedhöfen, die Zeugen sind rar. Und selbst wenn andere Friedhofsbesucher etwas beobachten: Sie können ja nicht wissen, ob es ein Familienangehöriger ist, der etwas vom Grab nimmt, oder ein Fremder.“
Auch Dennis Tuehl hat nicht alle Vorfälle angezeigt. Er hat kaum Hoffnung, dass die Täter noch ausfindig gemacht werden können. Trotzdem hofft er auf wachsame Friedhofbesucher — und darauf, dass das Grab seines kleinen Sohnes in Zukunft verschont wird.