19-Jähriger wohnt in Obdachlosenheim
Ein 19-Jähriger wohnt in einer Obdachlosenunterkunft in Grefrath. Helfer aus Kempen nehmen das nicht hin.
Kempen/Grefrath. „Ich habe große Sorge, dass es mit Marcel wieder abwärts geht“, sagt Achim Lüdecke. Er ist gesetzlicher Betreuer bei der Diakonie Krefeld-Viersen und als solcher für den 19-jährigen Marcel S. (Name der Redaktion bekannt) verantwortlich. Der Jugendliche ist lernbehindert, stammt aus den so oft zitierten „schwierigen Verhältnissen“. „Häufig hat er nur Computerspiele im Kopf. Und leider hat er auch Kontakt zu vermeintlichen Freunden in der Drogenszene“, sagt der Betreuer.
Aber: Laut Lüdecke hat der gebürtige Krefelder in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass er über die Jugendwerkstatt des Kreises Viersen eine Praktikumsstelle beim Kempener Dachdeckermeister Frank Dahmen bekommen hat. „Marcel packt an und sieht die Arbeit“, sagt der Dachdecker.
Was dem jungen Mann jetzt noch fehlt, ist Struktur, findet Achim Lüdecke. Diese fehle Marcel unter anderem deshalb, weil das Verhältnis zur Mutter gestört sei. Nach einem Umzug von Krefeld nach Grefrath seien die Probleme nicht mehr zu kitten gewesen. Der Teenager habe nicht mehr bei seiner Mutter bleiben können. Hilfe gab es daraufhin in Kempen: Die frühere Realschullehrerin Petra Kamplade und ihre Freundin Irma Schneppenhorst kümmern sich um Marcel. Sie wandten sich an die Jugendberufshilfe des Kreises Viersen und andere Behörden, verhalfen ihm zum Praktikumsplatz und holten schließlich auch Betreuer Lüdecke mit ins Boot.
Dieser empfiehlt „Betreutes Wohnen“ für den Jugendlichen. „Aus meiner Sicht ist das die ideale Lösung für ihn“, sagt Lüdecke, der sogar schon einen Platz in einer Einrichtung in St. Tönis in Aussicht hatte. Dabei spielt das Jugendamt des Kreises Viersen jedoch nicht mit. „Der Antrag für das ,Betreute Wohnen’ wurde abgelehnt“, sagt Lüdecke. Auch eine Klage seinerseits gegen die Entscheidung half nichts. Das Gericht gab dem Kreis Viersen Recht: Fünf Stunden Hilfestellung pro Woche durch einen Sozialpädagogen sind ausreichend. Die Unterbringung in einer Wohngruppe sei nicht notwendig.
Da Marcel nicht mehr bei seiner Mutter wohnen könne, war Lüdecke gezwungen, den 19-Jährigen obdachlos zu melden. Das wiederum führte dazu, dass der Jugendliche nun in der Grefrather Obdachlosenunterkunft am Grefrather Reinersbach lebt. Und genau das führt laut Lüdecke, Kamplade und Schneppenhorst dazu, dass „der Junge wieder abgleitet“.
Die Unterbringung in einer Wohngruppe lehnt das Jugendamt aber weiterhin ab. „Die ambulante Begleitung des Jugendlichen sehen unsere Mitarbeiter als sinnvoll an. Bei einer sogenannten vollstationären Unterbringung würde aber die Relation nicht stimmen“, sagt Axel Küppers, Pressesprecher des Kreises Viersen. Die Behörde verweist zudem darauf, dass ein Gericht diese Entscheidung bestätigt habe.
Marcel werde aber nicht vom Jugendamt im Regen stehen gelassen. „Die Zusammenarbeit mit der Jugendwerkstatt unterstützen wir weiterhin“, so Küppers. Außerdem sei es das Ziel, „Marcel langfristig in eine eigene Wohnung zu bekommen“. Daran werde man bis Ende März intensiv arbeiten.
Anscheinend mit Erfolg. Gestern bestätigte der Kreis Viersen, dass Marcel S. eine Wohnung in Grefrath an der Weststraße in Aussicht hat. „Ich fürchte aber, dass das für Marcel nicht die richtige Lösung ist“, sagt Kamplade. „Er braucht eine intensive Betreuung.“ Alleine in einer Wohnung zu leben, sei für den 19-Jährigen schwierig. Laut Kamplade ist er auf dem Stand eines 13-Jährigen. Zudem sei er spielsüchtig. So sieht es auch Achim Lüdecke. Seine letzte Hoffnung: „Es läuft noch eine Anfrage bei einer anderen Einrichtung zur Betreuung.“ tkl