Annenhof: Kein Zurück nach Auszug

Tabea ist volljährig, deshalb muss sie demnächst den Annenhof verlassen. Und Platz für andere machen.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Für Tabea bricht jetzt eine aufregende Zeit an. Sie ist gerade 18 Jahre alt geworden und das bedeutet für das Jugendamt, dass sie nun nicht mehr unterstützt werden muss. Es sei denn, sie schildert plausibel, warum eben doch.

Tabea lebt seit einem Jahr im von Nievenheimschen Haus. Im Annenhof ist das der Bereich, in dem Jugendliche auf das selbstständige Leben außerhalb des Kinderheims vorbereitet werden. In der oberen Etage des spätgotischen Gebäudes leben Jugendliche ab 15 Jahren in einer Wohngruppe, die 24 Stunden von Pädagogen betreut wird.

Wenn sie reif genug sind, ziehen die Jugendlichen eine Etage tiefer. Dort geht es zu, wie in einer WG. Ein Pädagoge ist zwar anwesend, die jungen Erwachsenen gestalten ihren Tag aber weitestgehend selbst. Sonntags wird gemeinsam gekocht. Dann sitzen meistens alle 13 Bewohner zusammen, denn nicht selten gibt es mehrere Gänge. „Sonst geht jeder für sich einkaufen, jeder hat seinen eigenen Kühlschrank“, sagt Sozialpädagoge Daniel Ilbertz. Die Jugendlichen haben ein gewisses Budget mit dem sie haushalten müssen.

„Ich war zuerst total sparsam, sodas ich am Ende des Monats noch viel über hatte“, erinnert sich Tabea, die vor drei Monaten aus der Wohngruppe ins Erdgeschoss gezogen ist. Dort leben zwei junge Erwachsene in jeweils einem Appartement — völlig autark, wie in einer eigenen Wohnung. „Sie können aber natürlich jederzeit zu uns raufkommen, wenn sie Hilfe benötigen oder einfach jemanden zum Quatschen brauchen“, sagt Ilbertz.

Diese Mischung aus Eigenständigkeit, Vorschriften und familiärer Betreuung hat Tabea sehr geholfen. Doch sie erklärt auch, warum sie diese Sicherheit jetzt noch nicht aufgeben kann. „Wenn Kinder aus funktionierenden Familien 18 werden, wohnen sie häufig noch zu Hause oder können immer wieder dorthin zurück, wenn es in der eigenen Wohnung, mit dem Studium oder der Ausbildung nicht klappt. Ich kann das nicht.“

Mit den Eltern in Geldern gab es nur Stress. Es wurde so schlimm, dass sich Tabea mit 16 Jahren entschied, ins Kinderheim zu ziehen. Zunächst lebte sie im Hauptgebäude. Mit 17 Jahren kam sie dann in die Wohngruppe im von Nievenheimschen Haus. Gerade hat sie an ihrer Schule in Geldern Abitur gemacht und sucht nun nach einem Praktikum. Sie möchte erst mal herauszufinden, was sie überhaupt mit ihrem Leben anfangen will — wie viele andere in ihrem Alter. Mit dem Unterschied: „Wenn ich ausziehe, kann ich nicht mehr zurück.“ Während ihre Freundinnen, die auch allmählich in ihre eigenen Wohnungen ziehen, ihr Kinderzimmer bei den Eltern behalten, wird ihr Appartement an einen anderen Annenhof-Jugendlichen weitergegeben werden. Deswegen hofft Tabea, dass das Jugendamt ihr noch mindestens drei Monate Zeit gibt. „Dann habe ich hoffentlich einen Job und ein Praktikum“, sagt sie.