Was für ein Getränk dürfen wir Ihnen bestellen?
Serie Auf einen Kaffee mit „Inklusion klappt, wenn alle aufeinander zugehen“
Grefrath · In unserer neuen Serie „Auf ein Getränk mit ...“ stellen wir verschiedene Menschen aus der Region vor.
Für die Redaktion traf sich Bianca Treffer auf einen Kaffee mit Nicole Vaessen, die im Tante-Emma-Laden im Freilichtmuseum Grefrath arbeitet.
Nicole Vaessen: Einen Kaffee. Um diese Uhrzeit trinke ich ihn schwarz. Je mehr es Richtung Nachmittag geht, je süßer wird es allerdings. Dann kommen Milch und Zucker rein.
Sie arbeiten für die Elterninitiative Kindertraum an einem ungewöhnlichen Ort und zwar im Tante Emma Laden vom Niederrheinischen Freilichtmuseum. Hat das für Sie eine besondere Bedeutung?
Vaessen: Auf jeden Fall. Die Arbeit an sich ist schon etwas einmalig Schönes, aber das in der historischen Kulisse zu tun, hat was. Zumal ich mich mit Geschichte besonders verbunden fühle.
Was verbindet Sie mit Geschichte?
Vaessen: Ich habe Neuere Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und germanistische Sprachwissenschaft studiert. Eigentlich wollte ich später irgendwo im stillen Kämmerlein geschichtlich arbeiten. Doch dann war ich während des Studiums im Viersener Stadtarchiv im Einsatz und durfte am Tag der offenen Tür die Besucher begleiten. Da habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir das macht. Nach dem Studium klappte es nicht sofort mit einer Stelle und ich habe übergangsweise in der Brüggener Jugendherberge angefangen. Nach zwei Wochen ist mir eine Vollzeitstelle angeboten worden und ich habe zugegriffen. Dort habe ich auch Kindertraum kennengelernt und später so den Arbeitgeber gewechselt. Der Job ist da, wo das Herz schlägt, und mein Herz schlägt für Kindertraum. Seit Juli 2020 bin ich im Tante Emma Laden und kümmere mich um das Team von fünf Menschen mit Handicap und zwei weiteren Anleiterinnen.
Wenn Sie von Ihrer Arbeit erzählen, dann strahlen Sie. Was macht Ihre Arbeit aus?
Vaessen: Es ist die tägliche Herausforderung. Der Tante Emma Laden muss funktionieren. Wir haben ein Team aus Menschen mit und ohne Behinderungen. Jeder ist individuell und es gilt, alle unter einen Hut zu bringen. Der eine kann dies besser, der andere jenes. Dementsprechend gilt es die Aufgaben zu verteilen. Zudem überlege ich immer, wie wir die Arbeit verteilen, damit jeder möglichst eigenständig arbeiten kann. So haben wir beispielsweise für die Bedienung der Kasse im Tante Emma Laden ein DIN-A4-Blatt mit Symbolen entwickelt, das auch für Menschen mit Handicap die Kasse leicht bedienbar macht. Und das funktioniert prima. Die Arbeit selber ist sehr vielschichtig. Wir backen ja nicht nur für den Laden, sondern bekochen auch Gruppen, die das Freilichtmuseum besuchen und entsprechend gebucht haben. Bei den Großveranstaltungen im Museum sind wir ebenso mit am Start. Dazu sorgen wir dafür, dass das Tante Emma Laden Sortiment von Süßigkeiten über Aufstriche bis hin zur Wundertüte entsprechend vorhanden ist. Das heißt, wir haben viele Kontakte mit verschiedenen Lieferanten.
Was macht Ihr Arbeitsklima aus?
Vaessen: Es ist das Miteinander in der Gemeinschaft. Wir haben ein tolles Team und ein schönes Arbeitsklima, weil wir wertschätzend miteinander umgehen. Man muss dabei auch mal hinnehmen, das, was daneben geht. Letztlich hat ein Praktikant beim Schokolieren der Nussecken einige aus Versehen etwas zerbröselt. Die konnten wir nicht mehr im Tante Emma Laden verkaufen, uns haben sie aber prima geschmeckt. Was ich immer niedlich finde, ist, wenn mich Besucher fragen, ob ich die Tante Emma wäre.
Und sind Sie das?
Vaessen: Sicher. Ich muss bei der Frage immer schmunzeln. Aber ich fühle mich schon sehr mit meiner Arbeit verbunden. Ansonsten steht meine Familie an erster Stelle. Zudem backe ich in meiner Freizeit sehr gerne Brot und nähe auch. Langweilig wird es mir nie.
Gibt es einen Wunsch?
Vaessen: Ja. Ich würde mich freuen, wenn sich mehr Arbeitgeber trauen würden Menschen, mit Handicap einzustellen. Man muss nur mutig sein und es probieren. Es klappt ganz toll, wenn alle aufeinander zugehen.
Fällt Ihnen spontan jemand für die nächste Folge ein?
Vaessen: Auf jeden Fall. Ich würde Rebecca Hermes, die im HPZ arbeitet, vorschlagen. Sie kümmert sich um die betriebsintegrierten Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in einem Unternehmen außerhalb der Werkstatt und das mit Herzblut.