Bürgermeister-Wahl Das Kempener Rennen nimmt Fahrt auf
Kempen · Die Bürgermeister-Kandidaten Philipp Kraft und Christoph Dellmans haben beide einen starken Start hingelegt. Ihre ersten Auftritte haben die jeweiligen Lager begeistert. Was bedeutet der 10. Oktober für den Wahlkampf der nächsten elf Monate? Eine Analyse.
Alle Parteien beteuern, dass die Dramaturgie des 10. Oktober reiner Zufall war. Aber passend war die Konstellation in jedem Fall: Das erwartete Bürgermeister-Duell zwischen Philipp Kraft (CDU) und Christoph Dellmans (parteilos/unterstützt von SPD und Grünen) begann mit parallel verlaufenden Kandidaten-Wahlen in Kolpinghaus und TZN. Auch wenn sich womöglich noch der eine oder andere Kandidat findet wird, ist klar, dass der Bürgermeister nach dem 13. September 2020 entweder Christoph Dellmans oder Philipp Kraft heißen wird. In den nächsten elf Monaten werden sich die Beiden ein Rennen um den Chefsessel im Kempener Rathaus liefern. Eine Analyse zum Stand der Dinge – am Tag nach der Kandidatenkür.
Die Ergebnisse stärken Kraft
und Dellmans den Rücken
97,8 Prozent für Dellmans von SPD und Grünen; 92,9 Prozent für Kraft von der CDU. Sowohl für den 52-jährigen Stadtsprecher als auch für den 45-jährigen Personalmanager sind das Ergebnisse, die Rückenwind für den Wahlkampf bedeuten.
Bei Christoph Dellmans war diese Zahl wenig überraschend, schließlich wird er seit Monaten von einer gewissen rot-grünen Euphorie getragen. Ein 100-Prozent-Ergebnis à la Martin Schulz verhinderte nur eine Enthaltung aus den Reihen der SPD.
Dennoch muss man die Zustimmungswerte für Dellmans in Relation zur Zahl der anwesenden Mitglieder setzen. Von Bündnis 90/Die Grünen kamen 20 Parteifreunde ins TZN, die alle für Dellmans stimmten. Insgesamt hat die Partei derzeit nach eigenen Angaben 47 Kempener Mitglieder. Gemessen an den aktuellen Zahlen auf Parteiversammlungen ist die Erscheinungs-Quote (42,6 Prozent) bei den Grünen ordentlich.
Etwas anders ist die Sache bei der SPD gelagert. Wenn nur 26 Genossen zu der Versammlung erscheinen, bei der der große Hoffnungsträger zur Beendigung der schwarzen Dominanz gewählt werden soll, ist das schon enttäuschend. Denn trotz der bundesweiten Probleme hat die Kempener SPD immerhin noch 158 Mitglieder. Für die Versammlung am Donnerstag bedeutet das eine Erscheinungs-Quote von 16,5 Prozent. Zu wenig für einen roten Aufbruch.
Deutlich zufriedener sahen da die Gesichter im Kolpinghaus aus. Die CDU zählte 113 Stimmberechtigte an der Peterstraße. Bei 441 Mitgliedern bedeutet das eine Quote von 25,6 Prozent. Gemessen an früheren Kandidaten-Aufstellungen, bei denen mehr als 200 Christdemokraten da waren, ist die aktuelle Zahl zwar wenig. Allerdings sind Zahlen von vor zehn Jahren auch nur noch schwerlich zu erreichen. Im Vergleich zu seiner Wahl zum Vorsitzenden vor einem Jahr, als nur 80 CDUler da waren, kann sich Philipp Kraft aber nun über einen leichten Anstieg freuen.
Dass 105 von 113 Christdemokraten nun von ihm überzeugt sind, ist ohne Frage ein Erfolg für Kraft – die „90 plus X“ sollten es wohl sein und sind es auch geworden. Denn etwas unsicher war man in den Reihen der CDU-Spitze schon, weil Kraft sich eben noch bekannt machen muss. Die Stimmung während und nach seiner Rede wird Kraft nun Kraft geben.
Inhaltliche Felder sind
bei beiden ähnlich
Inhaltlich steckten Dellmans und Kraft am Donnerstag – wenig überraschend – die gleichen Felder ab: Verwaltungsumbau, Schule und Kitas, Wohnen in Kempen, Wirtschaft stärken und der Klimaschutz. Letzterer war in Christoph Dellmans’ Bewerbungsrede ein bedeutender Punkt, womit er die Reihen seiner Unterstützer von SPD und Grünen sicher zufrieden stellte.
Der CDU-Kandidat hingegen ging in der Bewerbungsrede nicht tiefgreifend auf das Thema Klimaschutz ein. Dafür befasste sich Kraft bereits in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender bei der Begrüßung damit. Kraft erklärte die CDU-Position, dass Kempen keinen Klimanotstand brauche, sondern eher den verabschiedeten Masterplan. Die jungen Menschen von „Fridays for Future“ hätten „die CDU zum Handeln bewegt“. Dieser Diskussion wolle er sich stellen. „Wir wollen in die inhaltliche Arbeit zum Thema Klimaschutz einsteigen und Lösungen entwickeln. Aber wir werden keineswegs alles diesem Thema unterordnen“, sagte Kraft und erntete Applaus.
Die Verwaltungsstrukturen
sind das Kernthema
Sowohl Dellmans als auch Kraft wissen, dass der Klimaschutz ein entscheidender Wahlkampf-Faktor ist. Aber wesentlich bedeutender für die Wahl und vor allem für das Danach ist der Umbau der Kempener Stadtverwaltung. Dellmans nennt das „Verwaltung kompetent weiter entwickeln“ und trumpft damit auf, dass er das Rathaus nach 25 Dienstjahren so gut kennt wie kaum ein anderer. Der Stadtsprecher ließ nicht unerwähnt, dass manch einer sich „einen Bürgermeister von außen“ wünsche. Aber Dellmans selbst sei der Richtige, der Strukturveränderungen antreiben könne und wolle. „Ich habe stets meine Visionen beibehalten, habe hinterfragt und meine Vorschläge eingebracht. Leider war ich nicht in der Position, Dinge grundlegend zu ändern. Die Zeit ist nun gekommen, das Zepter in die Hand zu nehmen“, so Dellmans zur aktuellen Lage im Rathaus. Gleich mehrfach erwähnte der Presse- und Marketingreferent, dass er auch aktuell schon gerne anders würde, aber eben (noch) nicht könne.
Mit Blick auf neue Strukturen im Rathaus sind die Kandidaten inhaltlich nicht weit voneinander entfernt. Beide wollen den Personalbereich wieder im Dezernat des Bürgermeisters ansiedeln. Beide denken an den Aufbau eines Projekt- und Schnittstellensystems. Beide wollen die Digitalisierung vorantreiben.
Diese Ziele will Kraft eben genau als „der von außen“ verfolgen. Das hat er Donnerstagabend deutlich gemacht. Seine fachliche Erfahrung im Personalmanagement in der freien Wirtschaft hat er ausführlich betont. Auch die Führungserfahrungen bei der Bundeswehr und sein akademischer Hintergrund als Politikwissenschaftler mit den Fächern Verwaltungslehre und Staatsrecht kamen nicht zu kurz. Immens wichtig für den Wahlkampf innerhalb und außerhalb der CDU dürfte die klare Abgrenzung von Stil des amtierenden Bürgermeisters gewesen sein. Kraft bringe ein anderes Persönlichkeitsprofil und einen anderen Führungs- und Kommunikationsstil mit, sagt Kraft: „Jeder muss wissen, wo er dran ist.“
Kempener Profil ist
nicht zu unterschätzen
Kommen wir zum Persönlichkeits- und Heimatfaktor des Wahlkampfes. Im stolzen Kempen ist dieser nicht zu unterschätzen. Und da hat der Stadtsprecher, „Arme Mann“ und Ehrenleutnant der Prinzengarde nach Meinung vieler die Nase vorn. Dellmans kennt viele, viele kennen Dellmans. In Kerken aufgewachsen, lebt der 52-Jährige nun seit einem Vierteljahrhundert in Kempen. Mit seiner Lebensgefährtin Heike Camps und drei Kindern einer „Patchwork-Familie“ fühlt er sich in einem Haus, Im Dreieck, wohl.
Folgerichtig legte auch Philipp Kraft bei der CDU die Heimat-Karten auf den Tisch. Er wohnt mit Frau und zwei Kindern seit 2010 im Neubaugebiet „An der Kreuzkapelle“. Zuvor lebte er in Neukirchen-Vluyn, aber sobald ein Bauplatz in Kempen zur Verfügung stand, sei es hierher gegangen. Aufgewachsen ist Kraft bei seinen Eltern an der Mülhauser Straße. Kraft: „Meine durchs Fußballspielen ramponierten Halbschuhe habe ich zu Heini Leenen zum Flicken gebracht und am Wochenende habe ich die Brötchen in der Bäckerei von Karl-Heinz Hermans geholt.“ Da huschte nicht nur Hermans selbst im Kolpinghaus ein Lächeln über die Lippen.
Ein historisch spannender
Wahlkampf hat begonnen
Dass das Rennen bis zum 13. September äußerst spannend wird, ist schon geschrieben worden. Darf aber durchaus noch einmal erwähnt werden, weil es in Kempen in den vergangenen Jahrzehnten nicht so aufregend war. Nun ist es anders: Zwei starke Kandidaten treten an, weil sie unbedingt Bürgermeister werden wollen. Dass dies so ist, bringen Kraft und Dellmans authentisch rüber. Über zwei starke und motivierte Persönlichkeiten kann sich Kempen also nicht beklagen. Das tut Bundestrainer Jogi Löw mit Blick auf das Tor der deutschen Nationalmannschaft auch nicht.