Lokale Wirtschaft Die Stimme des Mittelstands
Kreis Viersen · Angela Willeke vertritt den Verband „Der Mittelstand“ im Kreis Viersen. Sie nimmt die Interessen von 220 Unternehmen mit rund 10 000 Mitarbeitern wahr.
Den Unternehmerverband Deutschlands e.V., kurz BVMW oder „Der Mittelstand“, verbinden vermutlich die meisten Menschen mit seinem langjährigen Präsidenten, dem Rheinländer Mario Ohoven. Die Bundeszentrale sitzt an prominenter Stelle in Berlin, am Potsdamer Platz. Die Adresse des Kreisverbands nimmt sich etwas bodenständiger aus: Angela Willeke, freiberuflich zuständig für die Region Krefeld/Viersen, wohnt Bracht, direkt am Wald.
Die Einzelunternehmerin – sie coacht Führungskräfte und Manager und gibt Seminare zu Themen wie Work-Life-Balance und Recruiting – hält den Kontakt zu den rund 220 Mitgliedsfirmen in ihrer Umgebung. Insgesamt stehe der Verband am Niederrhein (unter anderem mit Mönchengladbach und Neuss) für über 10 000 Arbeitsplätze. „Ich pflege den regelmäßigen Kontakt zu den Unternehmen in ihrer Kartei“, sagt Angela Willeke. Man muss nicht Adam Riese heißen, um zu erkennen, dass das bei 220 Arbeitstagen im Jahr eine Herkulesaufgabe ist. Doch bei aller Digitalisierung auch der Kommunikation gilt für sie: „Letztendlich ist die persönliche Betreuung das A und O in der Verbandsarbeit.“
Ob digital oder analog, Angela Willeke nimmt für sich in Anspruch, ganz nah dran zu sein am Mittelstand im Kreis Viersen und in Krefeld. Ein wesentlicher Punkt ihrer Verbandstätigkeit ist der Informationsfluss – und zwar in beide Richtung. „Wir informieren unsere Mitglieder über wichtige Ereignisse und Veränderungen auf Bundes- und Landesebene.“ Umgekehrt hat man das Ohr an den Firmen und erhält so den nötigen Input für die Lobbyarbeit in Düsseldorf und Berlin.
Sieht er die vertretenen Interessen bedroht, nimmt der Verein kein Blatt vor den Mund. So bezeichnete Ohoven den vor wenigen Tagen im Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf zum Solidaritätszuschlag gar als „Anschlag auf unsere Verfassung und die Konjunktur“. Der Regierungsentwurf sei nicht nur verfassungswidrig, sondern angesichts der drohenden Rezession auch ökonomisch unverantwortlich. Eine vollständige Abschaffung wäre ihm zufolge eine dringend notwendige Entlastung für Selbstständige, weite Teile des Mittelstands und viele Facharbeiter. „Der Gesetzentwurf der GroKo sieht zudem keine Abschaffung für Kapitalgesellschaften vor, also auch nicht für kleine GmbHs und viele Startups.“
Angela Willke trägt diese aktuelle Kritik mit. Im Gespräch mit der WZ hebt sie allerdings weniger die Bedrohung des Mittelstands durch äußere Faktoren (also auch politische Entscheidungen) hervor, als vielmehr dessen zahlreiche interne „Baustellen“. Eines der drängendsten Themen sei die Finanzierung von Neugründungen, so ihre Erfahrung. „Ob junger Startup-Unternehmer oder gestandener Geschäftsführer, der es noch mal als Selbstständiger versuchen will – es wird immer schwieriger auf dem klassischen Weg, also durch Banken und Sparkassen, an das nötige Kapital zukommen.“
Natürlich erwähnt sie auch den Fachkräftemangel. Wie kann der Mittelstand im Wettbewerb mit den Konzernen Nachwuchs generieren? Für die Vertreter der Generationen Y und Z, gemeint sind die Jahrgänge ab Mitte der 80er Jahre, sei beispielsweise ein „Sabbatical“, also eine längere Freistellung, etwas völlig Normales. „Aber welcher Mittelständler kann sich das leisten?“ Junge, potenzielle Fach- und Führungskräfte legten Wert auf Work-Life-Balance, Prestige – „und nicht zuletzt natürlich auch auf eine aus ihrer Sicht angemessene Entlohnung“. Immerhin: „Der Mittelstand kann dafür mit psychologischen Vorteilen punkten.“ Angela Willke nennt in diesem Zusammenhang ein familiäres Wohlfühl-Ambiente und gute Aufstiegschancen durch übersichtliche Strukturen und den direkten Draht zum Chef oder zur Chefin.
Zudem wünscht sie sich mehr Flexibilität bei der Stellenbesetzung. „In Deutschland geht es nach wie vor fast ausschließlich um Abschlüsse, Abschlüsse, Abschlüsse.“ Natürlich müssten Bewerber gewisse Fähigkeiten mitbringen. Aber was jemand wirklich kann oder nicht kann, steht ihrer Ansicht nach nicht im Zeugnis oder Lebenslauf, sondern lässt sich nur im Rahmen von Probe-Arbeit oder ähnlichen Maßnahmen erkennen. „Unsere Nachbarn, die Niederländer, machen das bereits so.“
Vielleicht kann ja auch hierbei die Digitalisierung helfen. Angela Willeke berichtet von einem jungen Unternehmer aus Kempen, der ihr gegenüber neulich diese Meinung vertreten hat: „Mir ist egal, wo meine Leute arbeiten. Hauptsache, sie arbeiten überhaupt.“ WLAN und Laptop machen’s halt möglich.