Flüchtlinge: Stadt in Kostenfalle
Das Problem der Unterbringung von Minderjährigen in Kempen ist weiterhin ungelöst. Verwaltung stellt Forderungen in Berlin.
Kempen. Das Kostenproblem der Stadt mit minderjährigen Flüchtlingen ist weiterhin ungelöst. Seitdem die Bundespolizei in Kempen an der Schorndorfer Straße ihren Sitz hat, musste das städtische Jugendamt bereits mehr als 3,8 Millionen Euro für die Inobhutnahme von Minderjährigen aufbringen. In der jüngsten Ratssitzung präsentierte Kämmerer Hans-Josef Aengenendt die neuesten Zahlen. So waren es 2013 1,4 Millionen Euro. Bis Juni 2014 beliefen sich die Kosten bereits auf 1,6 Millionen Euro. Deshalb wurde der Verwaltung jüngst eine überplanmäßige Ausgabe im Haushalt 2014 genehmigt: Für die Unterbringung stehen nun 3,5 statt der geplanten zwei Millionen Euro zur Verfügung (die WZ berichtete).
Auch wenn die Stadt Kempen das Geld im Nachhinein über Kostenträger des Landes erstattet bekommt, steht die Verwaltung zunächst vor dem Berg von Ausgaben. „Das tut uns richtig weh“, so Aengenendt in der Sitzung des Stadrates. Nach Angaben von Bürgermeister Volker Rübo kommt hinzu, dass die Rückerstattungen „erst Monate oder Jahre später“ auf dem Konto der Stadt Kempen landen. Zudem würde die Stadt auf den Sach- und Personalkosten vollständig sitzenbleiben.
„Wir gehen in Vorleistung für Ausgaben, die wir nicht zu verantworten haben“, betont der Bürgermeister immer wieder bei diesem Thema. Und damit hat er sicherlich Recht: Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Bundespolizei die Flüchtlinge in der Kommune unterbringt, in der sie ihren Sitz hat. Dabei spielt überhaupt keine Rolle, wo der oder die Minderjährige aufgegriffen wurde. Zum Beispiel greifen Beamte einen Jugendlichen auf der Autobahn 40 im Ruhrgebiet auf. Sie vernehmen ihn dann auf der Kempener Wache, danach wird er dem Jugendamt der Stadt übergeben.
Dies will die Verwaltungsspitze nicht mehr länger hinnehmen. Bürgermeister Rübo und Beigeordneter Michael Klee haben bereits Gespräche mit Bundespolitikern geführt. Bislang ohne Erfolg. Jüngster Versuch, an der Lage etwas zu ändern, ist eine Resolution des Stadtrates an Bundestag, Bundesregierung, Kanzlerin Angela Merkel, Landesregierung und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
In dieser Resolution, die einstimmig verabschiedet wurde, fordert der Stadtrat, dass die „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge an die Jugendämter des erstmaligen Aufgriffsortes“ übergeben werden. So könnten aus Sicht der Stadt Kempen Kosten und Verantwortung besser verteilt werden.
Die zweite Kernforderung in der Resolution: „Der Stadt Kempen werden alle Personal- und Sachkosten, welche für die Betreuung und Begleitung der unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen anfallen, erstattet.“
Die Verwaltung weist darauf hin, dass in der Region, die die Kempener Bundespolizei betreut, „Hauptreiserouten von Flüchtlingen“ liegen. So würden auf der Autobahn 40 viele Flüchtlinge unterwegs sein, „die aus Frankreich über Belgien kommend in Reisebussen (Euro-Cityliner) nach Dänemark und in andere skandinavische Länder fahren“. Die fast täglichen Pressemitteilungen der Bundespolizei mit solchen Fällen unterstreichen das.
Die Stadt Kempen will sich nach eigenen Angaben weiterhin der Verantwortung stellen, minderjährige Flüchtlinge unterzubringen. „Die Anzahl der unbegleiteten Jugendlichen seit 2012 übersteigt allerdings bei weitem die Möglichkeiten einer 35 000-Einwohner-Stadt“, heißt es in der Erklärung zur Resolution. Seit 2012 habe es mehr als 210 sogenannte Inobhutnahmen gegeben. „Hervorzuheben ist, dass auf dem Stadtgebiet Kempens lediglich drei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgegriffen worden sind.“
Jetzt liegt es an Bundes- und Landespolitik, das Thema aufzugreifen. „Ich bin froh, dass wir diese Resolution auf den Weg bringen“, sagte Rübo. „Hoffen wir, dass wir Gehör finden.“