Finanzen Gebühren: Ex-Bürgermeister Hensel kritisiert die Stadtverwaltung scharf
Kempen · Die Pläne des Kempener Kämmerers Jörg Geulmann seien „peinlich und für den Papierkorb“.
In die Diskussion darüber, wie die Stadt Kempen künftig die sogenannte Gewässerunterhaltungsgebühr und den Winterdienst berechnen soll, meldet sich nun Ex-Bürgermeister Karl Hensel zu Wort. Am Montag schickte er eine Stellungnahme an die Redaktion, in der er die Pläne von Kämmerer Jörg Geulmann kritisiert. Geulmann hatte jüngst zwei Varianten vorgestellt, um eine neue Landesgesetzgebung umzusetzen. Die Gewässerunterhaltung könne zum einen über die Grundsteuer A und B berechnet werden. Zum anderen könnte die Stadt eine neue Satzung aufstellen. Der Favorit der Verwaltung ist die zweite Variante, weil die erste wohl nicht gerecht im Sinne aller Bürger wäre (die WZ berichtete).
Das Thema Winterdienst könne aber aus Sicht der Verwaltung mit einer moderaten Erhöhung der Grundsteuer finanziert werden, hieß es in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. Im Gegenzug würde die Gebühr für die Straßenreinigung niedriger ausfallen. Bislang wird der Winterdienst über die Straßenreinigung abgerechnet.
„Peinlich und für den Papierkorb sind die Überlegungen des Stadtkämmerers, die Kosten des Winterdienstes und der Gewässerunterhaltung über Zuschläge zur Grundsteuer zu refinanzieren“, schreibt nun Ex-Bürgermeister Hensel. „Sie missachten den im Kommunalrecht verankerten Grundsatz der Nachrangigkeit von Steuern.“ Nach § 3 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes NRW „sollen Steuern nur erhoben werden, soweit die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt“, teilt Hensel mit. Die Vorschläge des Stadtkämmerers verstoßen gegen diese gesetzliche Vorschrift.
„Die Kosten des Winterdienstes sind darüber hinaus gemäß § 1 Abs. 2 Straßenreinigungsgesetz NRW Bestandteil der Straßenreinigungskosten und nach § 3 Straßenreinigungsgesetz NRW über Gebühren abzurechnen. Ein weiterer Gesetzesverstoß“, schreibt der frühere Stadtdirektor und Bürgermeister. „Abgesehen davon wäre eine Refinanzierung über die Grundsteuer völlig sachfremd, da sie zu einer unterschiedlichen Belastung der Bürger für eine gleiche Leistung führt. Wie der Kämmerer momentan überhaupt über eine Erhöhung der Grundsteuer nachdenken kann, deren Reform ansteht und deren Besteuerungskriterien in NRW überhaupt noch nicht feststehen, macht mich fassungslos.“
„Auch das Gejammer über das ,komplizierte Verfahren’ bei den Unterhaltungskosten verstehe ich nicht“, so Hensel. Was bei Nachbargemeinden komplikationslos gehe, sollte auch in Kempen möglich sein. „Mal eben rund 360 000 Euro in den Wind zu schreiben, hat mit einer sachgerechten und ordentlichen Haushaltsführung nichts zu tun.“ Die Einzugsbereiche der einzelnen Wasser- und Bodenverbände stünden fest und die Daten über befestigte und unbefestigte Grundstücksflächen müssten aus der Gebührenberechnung für Niederschlagswasser zu entnehmen sein, so Hensel: „Es sei denn, sie sind nicht ordnungsgemäß fortgeschrieben worden. Solche Blöße darf sich eine Verwaltung nicht leisten.“
Auch seitens der Politik gab es im Haupt- und Finanzausschuss die Frage, ob eine Gebührenfinanzierung über die Grundsteuer rechtlich möglich sei. Beigeordneter Geulmann erklärte in der Sitzung, dass es bereits Gerichtsurteile (unter anderem vom Oberverwaltungsgericht Münster) gebe, die eine Gebührenfinanzierung auf diesem Weg für zulässig erklärt hätten. Die Politiker diskutieren nun in ihren Fraktionen. Vermutlich Mitte November soll es eine Sondersitzung des Fachausschusses zum Thema geben.