Glosse Was in einem Jahr so alles passieren kann – oder eben nicht

Kempen · Ein Jahr nach Ankündigung des Hotelneubaus gibt es viel gutes Miteinander, aber noch wenig Hotel.

Beschauliche Kulisse: Die Hotel-Baustelle am Aquasol dieser Tage.

Foto: Stefanie Keisers/Stefanie keisers

„Neues Hotel soll im Frühling 2024 öffnen“. So stand es ziemlich genau vor einem Jahr in der WZ. Denn so wurde es ziemlich genau vor einem Jahr mit großem Brimborium verkündet. Das heißt: In einem weiteren Jahr sollten eigentlich die ersten Gäste in der Lobby des Kempener Havenhostels am Aquasol verweilen können, im Frühstücksraum hinter der Glasfront die Morgensonne genießen oder in den oberen Etagen die 97 Zimmer und mehrere Tagungsräume belegen.

Aber in einem Jahr kann ja so einiges passieren. Oder eben auch nicht. Wie im Fall des vergangenen Jahres. So mancher Bagger zeigte sich zwar im Laufe der Monate auf dem Areal neben dem Schwimmbad – schwer beschäftigte Arbeiter mit verschiedensten Gerätschaften waren dort zu sehen. Die kamen allerdings für ein Blockheizkraftwerk der Stadtwerke und hatten mit dem Havenhostel wenig zu tun.

Ein paar Vorarbeiten wurden natürlich auch schon für den Hotelbau erledigt: Kleine Gebäudeteile wurden abgetragen, ein paar Bäume gefällt. Da könnte seither aber schon wieder Gras drüber gewachsen sein. Ist es zum Teil übrigens auch.

Aber es ist ja nicht alles schlecht. Beschwerden über Baulärm gab es bislang noch keine. Und die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Investor läuft auch super. Das sagt auch der Bürgermeister. Und das sieht auch der Bürger. Zum Beispiel auf Facebook, wenn das halbe Rathaus mit dem Havenhostel-Chef vom Ausflug aus Münster grüßt. Oder wenn der Investor am Rosenmontag vom Karnevalswagen der Stadt winkt. Eine „Wertschätzung der Wichtigkeit“, nennt man das an der Stadtspitze.

Die Chemie stimmt also. In Geschwindigkeit schlägt sich diese Priorisierung nur eben nicht nieder. Das mit der Eröffnung Anfang 2024 ist natürlich mittlerweile Quatsch. Zwei Jahre Bauzeit plant der Investor ab Baubeginn. Und wie nah man diesem mittlerweile gekommen ist, das kann man nur erahnen. Eine Baugenehmigung gibt es jedenfalls bis heute nicht. Ende August erwartete man diese noch für Oktober, im Herbst dann prognostizierte man den Baustart für den Jahresbeginn. Man gehe „in die finale Prüfung“, hieß es schließlich Mitte Januar aus dem Rathaus. Es sei eben alles sehr komplex. Und der Bürgermeister echauffiert sich über „immer neue bürokratische Hürden“, die alles schwieriger machten.

Da schwant einem Böses, wenn man an das richtig große Bauprojekt Schulcampus denkt, welches die Stadt in den kommenden Jahren ganz alleine auf die Beine stellen will.

Bislang ist man im Rathaus noch hochzufrieden mit dem Fortschritt: Architekt und Entwurf für den Gesamtschulneubau sind so gut wie fix. Und um den Jahn-Platz bebauen zu können, muss man ja nur noch schnell einen Familiensportpark aus dem Boden stampfen. Geht doch ratzfatz. Denn für Schulgebäude und Sportstätten sind die „bürokratischen Hürden“ sicher deutlich niedriger, als für ein Havenhostel. Wir sind ja schließlich in Deutschland. Ironie aus.