Internet oder Innenstadt?
Die Geschäfte vor Ort kämpfen gegen die Online-Konkurrenz, gerade zum Fest.
Kempen/St. Tönis. Weihnachten steht vor der Tür — für den Einzelhandel ist das die wichtigste Zeit des Jahres. Im Moment über Krawatten, Computerspiele, Bücher und Co. über die Ladentheke. Oder sie werden vom Paketboten geliefert, denn das Geschäft im Internet boomt. Nach einer repräsentativen Branchenumfrage kauft jeder zweite Deutsche die meisten seiner Geschenke online. Für den örtlichen Handel ist das ein großes Problem.
Damit hat auch der Kempener Fahrradhändler Markus Claaßen zu kämpfen. „Das hat in den letzten Jahren zugenommen. Und die Leute werden da auch immer skrupelloser“, sagt Claaßen. Es sei keine Seltenheit, dass die Kunden dem Händler im Geschäft an der Judenstraße „per Smartphone den günstigeren Preis im Internet präsentieren“. „Natürlich gibt es im Internet günstigere Angebote“, sagt Claaßen. „Dort gibt es aber keine kompetente Beratung.“
Mit diesem Pfund wuchert der Kempener: „Wir setzen auf Service für den Kunden.“ Hinzu komme, dass das Geschäft mit Fahrrädern „äußerst beratungsintensiv“ sei. Deshalb könne sich Claaßen noch gut mit der Internet-Konkurrenz arrangieren. Sehr ärgerlich sei es aber, wenn sich Kunden von ihm beraten lassen, um danach ein Produkt im Internet zu bestellen. „Das kommt häufig vor“, berichtet der zweite Vorsitzende des Werberings aus vielen Gesprächen unter den Mitgliedern der Händlergemeinschaft.
Die Kempener Innenstadt bezeichnet Claaßen aber noch als „Insel der Glückseeligen“: „Wir haben eine funktionierende Innenstadt. Die Kunden schätzen vor allem das Flanieren und Bummeln. Das hat das Internet nicht zu bieten.“
In der St. Töniser Innenstadt hat sich das Verhältnis der Kunden zum Interneteinkauf offenbar verändert. Die mit schwarzer Folie zugehängten Schaufenster vom Sommer 2013, eine überregional beachtete Kampagne von 50 Innenstadt-Händlern gegen den „Beratungs-Klau“, zeigt immer noch Wirkung. Das sagt Stefan Robben, Vorsitzender des Werberings: „Die Kunden sind wesentlich sensibler geworden. Wir haben damals großen Zuspruch bekommen.“
Viele hätten in Gesprächen geäußert, dass sie beim Kauf im Internet gar nicht darüber nachgedacht hätten, dass das den stationären Handel schwäche. Robben: „Manche kamen ins Geschäft und sagten demonstrativ: ,Ich kaufe nicht im Internet.’“ Robben könne jedenfalls für die Textilbranche feststellen, dass Kunden sich nun häufig vorab im Internet informieren, aber dann vor Ort kaufen. „Sie wollen die Kleidung anprobieren.“
Seine Kunden aus Tönisvorst, Willich, Kempen, Osterath und Krefeld würden immer wieder betonen, dass ihnen das Flanieren durch die Innenstadt wichtig sei. Die aktuell laufende Aktion „Heimatshoppen“ verfestige das Thema, sagt Robben und findet das gut.
In St. Tönis seien auch die Händler selbst durch die Protest-Aktion aufgerüttelt worden. Robben: „Viele haben sich ihre Geschäfte und Schaufenster daraufhin noch einmal angesehen, auf Wirkung hin überprüft und sich gefragt: Bin ich noch zeitgemäß und was muss ich womöglich noch an der Beratung tun?“
Die Zeit der „fünf, sechs Leerstände“ in der St. Töniser Innenstadt sei vorbei, freut sich Robben. „Und dass sich der Drogeriemarkt dm in der Stadt ansiedelt und hier erheblich investiert, zeigt doch, dass sie an den stationären Handel glauben.“