Konzert in der Propsteikirche in Kempen Hohe Erwartungen an Beethovens Fünfte noch übertroffen

Kempen. · Der englische Organist Jonathan Scott präsentierte die Albiez-Orgel in der Kempener Propsteikirche als Sinfonieorchester. Für ihn war es das erste Konzert mit echtem Publikum seit März.

Für Jonathan Scott aus Manchester war der Termin in der Propsteikirche das erste Konzert mit echtem Publikum seit März.

Foto: Norbert Prümen

(gmk) In aller Ruhe konnte das Publikum am Samstag in der Propsteikirche auf Leinwänden den Arbeitsplatz des Organisten an der Albiez-Orgel betrachten: drei Manuale und für die Füße das Pedal sowie eine lange Reihe von Kombinationspedalen und eine kleine Öffnung mit einem breiten Pedal, um das Schwellwerk in Gang zu
setzen.

Der englische Organist Jonathan Scott war erfreut: „Es ist das erste Konzert mit echtem Publikum seit März.“ Mit dem Programm seines Abends machte er erlebbar, dass die Orgel wie ein Orchester fungieren kann. Dafür hatte er drei sinfonische Werke aus Barock, Klassik und Romantik für eine Orgel bearbeitet.

Er begann mit der Hebriden-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit weichen und leisen Registern schaffte er eine etwas geheimnisvolle Atmosphäre; die lyrischen Klänge wurden hin und wieder von virtuosen Passagen unterbrochen. Ein großes Spektrum an Klangfarben gab Stimmungen wieder, die Mendelssohn Bartholdy wohl auf seiner Schottlandreise erlebt hat.

Andere Register kamen zum Zug für das Arrangement des Concerto in C von Antonio Vivaldi für ein Mandolinenorchester. Hohe Register und ein virtuoses Spiel, das an ein Mandolinenspiel erinnert, erklangen. Reizvoll waren die Echoeffekte, die Scott hier einbaute.

Das einzige Stück des Abends, das im Original für die Orgel geschrieben worden war, war die Komposition „Sesquialtera“ seines Bruders Tom Scott. Das Werk lässt sich mit seinen zahllosen sich wiederholenden Motiven – seiner repetitiven Struktur – der Minimal Music zuordnen.

Meisterliche Beherrschung der „Königin der Instrumente“

Besonders gut war bei diesem Stück zu beobachten, dass die Registrierung eine Wissenschaft für sich ist. Mit den Kombinationspedalen konnte der Organist schon voreingestellte Registergruppen ein- und ausschalten, aber zusätzlich zog und stieß er während seines Spiels noch blitzschnell zusätzliche Registerknöpfe per Hand. Und sein rechter Fuß wechselte auch in schneller Folge vom Pedal zum Schwellwerk, mit dem sich ein Lauter- und Leiserwerden in jeder Klangfülle erreichen ließ.

Bei solch einer meisterlichen Beherrschung der Orgel als „Königin der Instrumente“ konnte man von der Interpretation der 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven nur Außergewöhnliches erwarten – und dies wurde sogar übertroffen. Die „Königin der Instrumente“ hätte nicht überzeugender und fesselnder präsentiert werden können.

Mit höchster Virtuosität meisterte er die Herkulesaufgabe an der Albiez-Orgel, und man konnte der Veranstalterin der Kempener Orgelkonzerte nur dafür danken, dass die Besucher dies auch per Bild erleben konnten. Mit stehendem Applaus drückte das Publikum seine Begeisterung aus. Daraufhin sprintete Scott noch einmal für eine Zugabe zurück auf die Empore und holte sich anschließend noch einmal einen langen stehenden Applaus unten im Kirchenschiff
ab.

(gmk)