Frau Kähler-Theuerkauf, als Präsidentin des Landesverbands Gartenbau Nordrhein-Westfalen vertreten Sie die Interessen von zirka 3000 Betrieben. Was brauchen Ihre Mitglieder in der Corona-Krise am dringendsten?
Lokale Wirtschaft Balkonien-Pflege hilft der Gartenbau-Branche
Kempen · Die Kempenerin Eva Kähler-Theuerkauf ist Präsidentin des Landesverbands Gartenbau. Im Interview mit der WZ spricht sie über die Lage der Branche in der Corona-Krise. Über das, was den Unternehmen Sorge bereitet. Und über das, was Hoffnung macht.
Es gibt wohl kaum eine Branche, die nicht unter der Corona-Krise leidet. Auch aus dem Gartenbau hört man traurige Nachrichten über Umsatzeinbrüche und Millionen von Pflanzen, die vernichtet werden müssen. Die Kempenerin Eva Kähler-Theuerkauf ist als Präsidentin des Landesverbands Gartenbau ein Sprachrohr der betroffenen Unternehmen. Im Interview mit der WZ schildert sie die derzeitige Lage.
Eva Kähler-Theuerkauf: Im Moment benötigen sie vor allem finanzielle Unterstützung vom Staat. Genauer gesagt geht es um eine 100-Prozent-Bürgschaft durch die Rentenbank, die für die Agrarwirtschaft zuständig ist. Eine solche Bürgschaft für Kredite, wie sie ja anderen Wirtschaftszweigen durch die KfW-Bank oder die Bürgschaftsbank NRW zur Verfügung stehen, fehlt uns bisher noch. Deswegen sind die Hausbanken, die 20 Prozent des Risikos selbst tragen müssten, sehr zurückhaltend. Die Sache liegt bei der Bundesregierung und ich hoffe, dass Berlin schnell zu unseren Gunsten entscheidet.
Wofür benötigen die Betriebe diese Mittel?
Kähler-Theuerkauf: Viele Betriebe konnten ihre Frühjahrsware aufgrund der Corona-Krise nicht absetzen. Deswegen fehlen liquide Mittel. Zugleich muss jetzt investiert werden, um die Pflanzungen für den Herbst vornehmen zu können. Entsprechend müssen Jungpflanzen gekauft und Löhne bezahlt werden. Es ist ein bisschen so wie in der Modebranche: Das Frühjahr muss raus, um Platz für den Herbst zu machen.
Sind Sie als Unternehmerin auch selbst von der Krise betroffen?
Kähler-Theuerkauf: Wir produzieren ausschließlich für den Großhandel, derzeit hauptsächlich Lavendel. Für den Herbst werden unter anderem Astern und Chrysanthemen angepflanzt. Aufgrund dieses speziellen Angebots und bestehender Verträge sind wir aktuell nicht betroffen. Aber besorgt in die Zukunft schauen wir natürlich auch.
Wie bewerten Sie das Kaufverhalten der Menschen vor Ort?
Kähler-Theuerkauf: Wo man auch hinschaut, überall nutzen die Menschen die Hofläden vor der Haustür. Das finde ich großartig. Leider reicht dieser regionale Absatz den Großbetrieben, die europaweit liefern, nicht zum Überleben.
Die Menschen, so der Eindruck, kaufen nicht nur auf den Höfen ein, sie verbringen auch viel Zeit im Garten und auf den Balkonen. Hilft das Ihrer Branche?
Kähler-Theuerkauf: Die eigene Scholle hat in der Tat einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Auf Facebook habe ich noch nie so viele Posts von neu angepflanzten Blumen gesehen. Viele Privatleute sind in ihren Gärten und auf den Balkonen aktiv. Manche beschäftigten sich auch zum ersten Mal mit dieser Materie. Sie fragen: Was braucht besonders viel Wasser? Was pflanze ich besser im Schatten an? Dieses neue Interesse gefällt mir sehr. Und ich weiß, dass viele auch schon ihren Sommerurlaub in der Ferne abgeschrieben haben und entsprechend den Garten vorbereiten wollen. Insofern hilft das natürlich den Gartenbaubetrieben ein wenig.
Sie finden es daher sicher auch richtig, dass Gartencenter und Baumärkte weiter geöffnet bleiben durften und dürfen?
Kähler-Theuerkauf: Auf jeden Fall. So wurde und wird den Leuten eine Möglichkeit geboten, sich mit etwas Sinnvollem zu beschäftigen. Ich stelle fest, dass auch immer mehr Menschen den Garten für sich entdecken. So wird über automatische Bewässerung und Rasenmäher-Roboter gefachsimpelt.
In Ihrem Verband sind auch die Friedhofsgärtnereien organisiert. Haben sie Einbußen zu verzeichnen, weil Beerdigungen nur noch in kleinem Rahmen stattfinden dürfen?
Kähler-Theuerkauf: Vielleicht ein wenig bei den Kränzen und Sträußen. Aber grundsätzlich geht die Pflege auf den Gräbern ja weiter. Insbesondere für meine Heimat, den Niederrhein, kann ich sagen, dass die Angehörigen großen Wert auf eine stets ordentlich gepflegte Grabstätte legen.