Kempener Hospital „Jeder muss wissen, was er zu tun hat“

Kempen · Auf der Intensivstation des Kempener Hospitals ist die Corona-Lage weiterhin ruhig. Oberärztin Elisabeth Golla gab der Presse am Dienstag einen Einblick in die Arbeit von Medizinern und Pflegepersonal.

Dr. Elisabeth Golla, Leitende Oberärztin, schildert in einem Intensivpflege-Zimmer den Ablauf einer Behandlung eines Corona-Patienten.

Foto: WZ/Tobias Klingen

Das, was wir hier draußen derzeit alles tun – oder besser gesagt – nicht tun, scheint da drinnen zu helfen. Diesen Eindruck gewinnt man nach einem Besuch auf der Intensivstation des Kempener Krankenhauses. Denn die Corona-Lage auf der Station  ist entspannt. Dort sind Besuche zwar derzeit wegen der Corona-Pandemie untersagt. In einem abgeriegelten Bereich erklärten Dr. Elisabeth Golla, Leitende Oberärztin der Station, und Geschäftsführer Thomas Paßers aber der Presse am Dienstag, wie die Situation im Hospital ist. „Medial bekommen die Leute so viel mit von Fallzahlen und Todesraten. Wir wollen mal inhaltlich demonstrieren, wie wir mit der Lage umgehen“, so Paßers in seinen einleitenden Worten.

Die Kempener Zahlen belegen, dass das Gesundheitssystem die Pandemie noch im Griff hat. „Seit Karneval hatten wir hier Covid-Patienten in einem niedrigen zweistelligen Bereich – knapp über zehn“, so Thomas Paßers. Intensivmedizinisch habe noch gar kein Corona-Patient behandelt werden müssen, so Paßers am Dienstagnachmittag. Insofern sei der Umgang mit der Pandemie im Krankenhaus professionell und ruhig, so der Geschäftsführer.

Ruhig sind die Verantwortlichen nach eigenen Angaben vor allem deshalb, weil in den Krankenhäusern der Region „absolutes medizinisches Fachpersonal“ vorhanden sei. So wie Dr. Elisabeth Golla kämen viele aus dem Umfeld der Düsseldorfer Uniklinik. Schließlich ist auch das Kempener Hospital seit Jahrzehnten ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität in der Landeshauptstadt. Die dort ausgebildeten Kollegen hätten sich in großer Zahl in den Häusern der Region niedergelassen, so Golla. Dies wiederum führe derzeit zu einem guten kollegialen Netzwerk, das wichtig sei. Schließlich wurden auch die ersten Heinsberger Covid-Patienten in der Uniklinik behandelt. Obendrein bestünden Düsseldorfer Kontakte ins chinesische Wuhan, wo die Pandemie ihren Anfang genommen hat. „Von diesem kollegialen Austausch profitieren wir alle“, sagt Golla.

Trotz der Ruhe auf der Kempener Intensivstation will die Medizinerin den Ernst der Lage im Umgang mit dem Virus nicht kleinreden. „Wir haben noch keinen Impfstoff. Deswegen ist größte Sorgfalt angesagt“, sagt die Ärztin. Das Ganze sei schon vergleichbar mit dem Aufkommen der Pest. „Der große Unterschied ist aber, dass wir durch Forschung und Wissenschaft jeden Tag einen immensen Zugewinn an Wissen haben“, sagt Golla. Das stimme sie zuversichtlich, die Lage medizinisch im Griff behalten zu können.

Im Kempener Hospital an der Von-Broichhausen-Allee habe man sich schon seit Januar auf die Folgen der Pandemie eingestellt. „Da haben wir mit intensivmedizinischen Schulungen begonnen“, so Golla. Die komplette Belegschaft sei auf den Umgang mit dem Virus in einer Extremsituation vorbereitet worden. „Jeder muss dann wissen, was er zu tun hat“, sagt die Oberärztin. Ihr Eindruck ist, dass dies in Kempen auch tatsächlich jeder weiß.

Ebenfalls schon im Januar habe Hospital-Betreiber Artemed Kontakt zu den Seniorenheim-Trägern und zu den Praxen der niedergelassenen Ärzte aufgenommen. Dabei sei es im Kern darum gegangen, die wichtigste intensivmedizinische Frage zu klären: Was will der betroffene Patient überhaupt? „Dabei geht es um die Frage, ob der Patient eine Vorsorge-Vollmacht hat, in der das Thema künstliche Beatmung geregelt ist“, so Golla. Die Empfehlung von Artemed an Seniorenheime und Hausärzte war, dieses Thema bei den Patienten anzusprechen.

Aktuell hält sich das Hospital im Umgang mit dem Coronavirus unter anderem an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). „Bei der Aufnahme von Patienten ist der Q-Sofa-Score die entscheidende Orientierung“, erklärt Elisabeth Golla. Dabei gehe es um drei Kriterien zur Einschätzung des sogenannten Morbitätsrisikos, also eines Sterberisikos: Wie ist der mentale Zustand des Patienten? Wie hoch ist der Blutdruck? In welchem Bereich liegt die Herzfrequenz? Wenn zwei dieser drei Kriterien auf einen gefährlichen Verlauf einer Infektion hindeuten, werde der Patient intensivmedizinisch aufgenommen.

Eine etwas abgeschwächtere Betreuung gebe es auf der „Intermediate Care Station“ (IMC). Diese sei zwischen normaler und Intensivstation einzuordnen. Auf der IMC gebe es „umfassende Überwachung, wie kontinuierliche EKG und Sauerstoffsättigungsableitung, engmaschige Blutdruckmessung sowie intensivierten therapeutischen und intensivpflegerischen Möglichkeiten“. Ebenso seien Möglichkeiten der Isolation gegeben. „Das Thema Isolation müssen wir ja immer im Blick haben“, ergänzt der Geschäftsführer. „Derzeit eben viel häufiger.“ In normalen Zeiten sei nur ein Anteil von rund zehn Prozent der Patienten im Hospital ein Fall für eine isolierte Behandlung.

Wenn ein Covid-Patient in einem der acht Intensivbetten des Hospitals behandelt wird, müssten Ärzte und Pflegepersonal jeden Schritt bedenken. „Dabei geht es ganz entscheidend um die Gesundheit des Personals“, so Golla. Vorgeschrieben sei ein Facharzt und eine Fachpflegekraft. „Wir sind auch immer zu zweit, um zum Beispiel zu beobachten, ob wir uns nach den vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen an- und ausziehen“, ergänzt die Medizinerin.

Stichwort Hygiene – wie sieht es in Sachen Schutzkleidung im Kempener Krankenhaus aus? „Aktuell gut“, sagt Thomas Paßers. Die Erfahrungen auf dem Markt seien zwar derzeit „äußerst interessant“. Sollte es bei der aktuell beherrschbaren Lage bleiben, sei man auch in Sachen Schutzausrüstung zuversichtlich. „Sollte sich das Ganze aber verschlimmern oder eine regelrechte Welle über uns rollen, kann ich das nicht absehen“, sagt der Geschäftsführer.

Damit es nicht zu einer Welle kommt, wirbt Dr. Golla dafür, dass sich die Menschen weiterhin an gewisse Regeln halten. Auch wenn die drastischen Einschränkungen gelockert werden sollten, seien drei Dinge entscheidend: die Hand-Hygiene, das Tragen von Schutzmasken und auch weiterhin ein gewisser Abstand. „Vielleicht sind das ja auch Dinge, die wir grundsätzlich aus dieser Krise lernen“, hofft Golla. In Phasen mit vielen Grippeerkrankungen wäre das auch eine große Hilfe. „Übrigens ein Ansatz, der in Asien gang und gäbe ist.“

Beim Thema Grippe steuert Geschäftsführer Paßers auch noch etwas bei. „Auch in diesem Zusammenhang will ich vor einer Corona-Hysterie warnen“, so Paßers. „2018, zu Zeiten der Grippewelle, hatten wir hier Tage, an denen wir nicht wussten, wo wir die Intensiv-Patienten behandeln sollen.“ Damals seien sogar Patienten nach Paderborn verlegt worden, weil im näheren Umkreis keine Betten mehr frei waren. Von den Entwicklungen damals hätten Öffentlichkeit und Politik nur am Rande Notiz genommen. „Ich will damit in Sachen Covid 19 nichts verharmlosen“, sagt der Geschäftsführer. „Was wir aber nicht brauchen, ist Hysterie. Wir hier in Kempen und auch die anderen Krankenhäuser können mit dieser Lage umgehen.“