Ehrenamt in Kempen Besucher auf vier Pfoten im Seniorenheim

Kempen · Donnerstags tapsen Hundepfoten ins Seniorenheim Von-Broichhausen-Stift in Kempen.

Im Seniorenheim Von-Broichhausen-Stift in Kempen werden die Collies, die stets donnerstags zu Besuch kommen, von den Bewohnern und Bewohnerinnen immer schon sehnsüchtig erwartet.

Foto: Norbert Prümen

22 Männer und Frauen sitzen im Kreis in einem großen Raum im Erdgeschoss des Kempener Von-Broichhausen-Stifts am Heyerdrink. Es herrscht eine erwartungsvolle Spannung: Donnerstagsmorgens kommen die Hunde. Dorothea Stützel besucht seit vielen Jahren mit ihren amerikanischen Collies die Menschen im Seniorenheim. Und dann stürmen die Fellnasen hinein. Amber, Auryn, Kelly und Bones begrüßen stürmisch und gleichzeitig behutsam die Runde. Sie wedeln freudig, manche stellen die Vorderpfoten auf und geben Küsschen. „Schöne Tiere“ ist zu hören. Die Stimmung hellt sich schlagartig auf.

Die Bewohner strahlen, strecken die Hände aus und streicheln das weiche Fell der Vierbeiner. Auch zuvor etwas teilnahmslos wirkende Menschen sind nun ganz auf die Hunde konzentriert.

Dorothea Stützel ist Tierärztin. Ihr Mann Marc betreibt die Tierarztpraxis auf der Wielandstraße in Kempen. Das Ehepaar wohnt in Wachtendonk, hält dort Pferde und züchtet Collies. Die 49-Jährige lotst ihre Hunde auf Hocker mit Rollen. Dort machen sie „Sitz“ und sind damit auf Augenhöhe mit den Senioren, von denen manche auf den Rollstuhl angewiesen sind.

Mit Hundebürsten darf nun das Fell gepflegt werden, eine Aufgabe, der sich manche mit Inbrunst widmen. Der Hund wird dann mitsamt Hocker weitergeschoben, sodass jeder mal dran ist. Dann verteilt Dorothea Stützel Bälle mit Kordeln, die in die Runde geworfen werden und von den Hunden sofort apportiert werden. Auch in ihrer Bewegung eingeschränkte Menschen bemühen sich sehr, den Hunden den Ball zuzuwerfen. Zum Schluss werden Leckerli verteilt, die die Hunde behutsam aus den Händen nehmen.

Mache Gespräche entspinnen sich, denn die meisten hier hatten früher Hunde. So wie die 92-jährige Maria Wefers. Sie wohnt erst seit Kurzem im Von-Broichhausen-Stift. Sie erzählt von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof, von den Eltern, den Geschwistern und den zwei Hunden, die dort lebten. Dabei bürstet sie wie selbstverständlich das Fell einer Hündin. Zur Hundestunde kommt sie regelmäßig. Das sei so schön, findet sie.

Dorothea Stützel muss Fragen beantworten, was sie geduldig tut. Denn manche Fragen werden in jeder Woche wiederholt – einige Bewohner leiden an Demenz. Und genießen vielleicht deshalb den Kontakt zu den Tieren ganz besonders. „Die Hunde kennen keine Vorbehalte, machen keine Unterschiede. Die Leute fühlen sich zu 100 Prozent angenommen“, erzählt Dorothea Stützel.

Vor vielen Jahren war sie über eine Suchanzeige des Kempener Freiwilligendienstes zum Von-Broichhausen-Stift gekommen. Bei ihrem Vorstellungsbesuch war sie erst gar nicht bis zur Heimleitung vorgedrungen, da die Hunde bereits vorher mit Beschlag belegt waren – von begeisterten Bewohnern und Mitarbeitern. Seitdem besucht sie einmal in der Woche für eine Stunde das Haus – ehrenamtlich.

Einige Bewohner, die aus verschiedenen Gründen ihr Zimmer nicht verlassen, werden mit den Hunden dort besucht. Und sehnsüchtig erwartet. Dorothea Stützel berichtet von einer inzwischen verstorbenen Bewohnerin, die an spastischen Lähmungen litt und mit dem einen noch beweglichen Arm selig den Hund umfing. Eine Begegnung, die allen Beteiligten Tränen in die Augen trieb.

Ihre Collies gehören nicht der hier vorherrschenden englischen Linie an, sondern wurden zur Auffrischung der Blutlinien aus den USA importiert. Die amerikanischen Collies seien gleich ihrem filmischen Vorbild „Lassie“ größer und nervenstärker als ihre englischen Verwandten, erzählt Dorothea Stützel, und dadurch besser als Therapiehunde geeignet. „Die Hunde sind gleichzeitig sehr sensibel und empathisch, sie ,lesen‘ den Menschen“, sagt sie. Ausgesuchte Hunde aus ihrer Zucht „Wall Street Collies“ werden bewusst als Therapiehunde weitergegeben.

Die Stunde im Seniorenheim war für alle Beteiligten intensiv. Auch für die Hunde, die anschließend im großen Transportauto sofort in einen Tiefschlaf verfallen. Ausgleich gibt es zu Hause in Wachtendonk. „Dort sind die Hunde viele Stunden draußen auf dem Gelände unterwegs“, sagt Dorothea Stützel.