Nathan Laube eröffnet Konzertsaison in der Paterskirche Ein Perfektionist ohne Starallüren
Kempen · Der weltbekannte Organist Nathan Laube eröffnete am Sonntag die Konzertsaison in der sehr gut besuchten Kempener Paterskirche.
Immer dann, wenn ein Organist sein Instrument und nicht die Orgel den Interpreten fordert, ist Außergewöhnliches zu erwarten. In die Phalanx, die vor ungefähr zwanzig Jahren mit den spektakulären Auftritten Cameron Carpenters sich herausbildete und vor etwa zehn Jahren in Jonathan Scott, der erst kürzlich die auf fast 150 Register erweiterte Seifert-Orgel in der Kevelaerer Basilika fulminant vorführte, einen kongenialen Mitstreiter gefunden hat, reihte sich der amerikanische Organist Nathan Laube ohne Fehl und Tadel nahtlos ein.
Die frappierende, brillante Technik dieser künstlerischen „Handlungsreisenden“ in Sachen ernsthafter und populärer Orgelmusik lässt sie selbst vor größten Schwierigkeiten nicht zurückschrecken. Mit scheinbar spielerischer (!) Leichtigkeit bewältigen sie selbst orgelmusikalische Hochgebirge. Und auch der geschickt gewählte programmatische Vorwurf im sehr gut besuchten Saisoneröffnungskonzert in der Kempener Paterskirche ließ Dramatisches erwarten. Denn die Abfolge der ausgewählten Werke zielte stringent auf J. S. Bachs berühmte Passacaglia und Fuge, BWV 582. Hier nämlich sollte in der strengeren Form der Variationenreihe mit ostinatem Thema im Pedal die freier flottierende Kleinteiligkeit der vorangehenden Werke quasi gebündelt werden.
Georg Muffats Toccata und Fuge im 7. Ton sowie J. S. Bachs leider wenig gespielte, aber großartige Partita über „Ach, was soll ich Sünder machen“, BWV 770, erwiesen sich als faszinierende Werke für einen geistreichen, vor Einfällen nur so sprühenden Organisten. Laubes klar strukturierende Phrasierung, seine bunte, keineswegs beliebige Registrierung sowie der nahezu alternierende Wechsel zwischen Hauptwerk und das Rückpositiv ersetzende Unterwerk brachten musikalische Kabinettstückchen von bezwingender Stringenz und klangfarblicher Vielfalt hervor. „Flötenkonzerte“, Crumhorn-Genäsel, reine Vox-humana-Kantilenen, klingelndes Tintinabulum und Schepperndes im Pedal dienten sowohl der Präsentation der Registervielfalt der König-Orgel als auch dem je unterschiedlichen Charakter der zehn Variationen.
Klug disponiert hatte Laube dann die Präsentation des wuchtigen Konzertmittelstücks. Um die Passacaglia nicht zu früh zum Höhepunkt zu führen, leitete er die Themarepetitionen dynamisch allmählich steigernd an, nach einem ersten Aufschwung bis in die Einstimmigkeit zurückführend, um dann mit der klangmächtigen Fuge aus dem gleichen thematischen Material eine Apotheose polyphoner Satztechnik im satten organo pleno herauszuschleudern. Laube schien die Möglichkeiten der Orgel schier überbieten zu wollen, so bezwingend, so unfehlbar logisch modellierte er die 20 Variationen des frühen Bachschen Meisterwerks noch aus Arnstädter Zeit. Der spontan aufbrandende Beifall dokumentierte, dass der Organist sein Ziel erreicht hatte.
Als falsche Einschätzung erwies sich die Sorge, dass ein neuer Höhepunkt nach dieser Spitzenleistung nicht mehr möglich gewesen wäre. Zur Überraschung vieler erwies sich gerade die Minimal-Music-Fantasie über den Choral „Von Gott will ich nicht lassen“ des niederländischen Organisten und Improvisators Bert Matter als eindrucksvolles Wunderwerk mit wesentlich sparsamer eingesetzten Mitteln als bei Bach. Nach dem getragenen cantus firmus entwickelte Laube unaufhaltsam aus getragenen Klangflächen mit einem ostinat repetierten staccato-Akkord einen mitreißenden Klangschwung, der eine elektrisierende, spannende Form des eigentlich Immergleichen hervorbrachte. Und Mendelssohn-Bartholdys 1. Orgel-Sonate op. 65 führte der Perfektionist ohne Starallüren zu einer auch dynamisch blendenden Synthese polyphon und akkordisch gesetzter Orgelmusik.