Lieber Urne als Sarg Stadt gibt neues Urnenfeld in Tönisberg frei

Kempen · Viele Friedhöfe sind im Wandel: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbeisetzung.

Sie stellten die neue Grabanlage vor (v. li.): der Tönisberger Stadtverordnete Maximilian Thelen (CDU), der Technische Beigeordnete Torsten Schröder, Bürgermeister Christoph Dellmans und Grünflächenamtsleiterin Patricia Schürmann.

Foto: Norbert Prümen

Die Kinder sind weit weg, der Partner verstorben. „Wer kümmert sich um mein Grab, wenn ich nicht mehr bin?“, fragen sich viele. Und entscheiden sich für eine Urnenbestattung in einer Grabstelle, die nur wenig oder gar nicht gepflegt werden muss. Längst liegt die Zahl der Urnenbestattungen deutlich höher als die Zahl der Erdbestattungen. Nach Angaben der Stadt Kempen wird inzwischen in rund 70 Prozent der Fälle eine Urne beigesetzt. Um diesem Trend und der gestiegenen Nachfrage nach pflegearmen Gräbern nachzukommen, bietet die Stadt inzwischen verschiedene Möglichkeiten für Urnenbeisetzungen an. Denn die Konkurrenz in diesem Bereich nimmt zu, Menschen entscheiden sich für Seebestattungen oder Bestattungswälder. Um die Friedhöfe wirtschaftlich so tragfähig zu halten, dass auch die Kosten für die Hinterbliebenen nicht ausufern, müssen die Kommunen mit der Zeit gehen. Denn in den Gebühren spiegelt sich auch der Aufwand wider, den die Friedhofsträger mit der Pflege der Gesamtanlage haben.

68 Urnen haben in
der neuen Anlage Platz

Auf dem Friedhof in Tönisberg wurde jetzt eine neue Urnengemeinschaftsgrabanlage fertiggestellt. In der Mitte steht ein Judasbaum, der mit seinen rosafarbenen Blüten im April und Mai ein Blickfang sein wird, umgeben von Storchschnabel, Frauenmantel, Anemone und Tränendem Herz. Rundum liegen im Viereck 68 Steine: Dort ist Platz für 68 Urnen. Die Urnenwahlgrabstätten werden als Einzel- oder Partnergrab vergeben, grundsätzlich ist diese Grabart für die Hinterbliebenen pflegefrei. Wer mag, kann auf den Mulch gleich am Stein etwas ablegen, etwa eine Engelfigur oder eine Grabkerze. Eine Beschriftung des Steins ist möglich, sie muss aber nicht sein.

Die pflegefreie Grabanlage ist neu für Tönisberg, in Kempen und St. Hubert gibt es sie schon. Die Gemeinschaftsanlagen sind Teil des 2015 in Kempen beschlossenen Friedhofsentwicklungskonzepts, das die Stadt nach und nach umsetzt und fortführt. Auf dem Friedhof an der Berliner Allee in Kempen etwa ist die Nachfrage nach dieser Grabart derart hoch, dass die Stadt dort eine weitere Urnengemeinschaftsgrabanlage mit 132 Plätzen angelegt hat. Sollte in Tönisberg die Nachfrage ebenso groß sein, könnte man dort neben der jetzt freigegebenen Anlage ein oder zwei weitere Flächen in dieser Art bauen. Doch bis es so weit ist, dürfte es dauern: Pro Jahr gibt es durchschnittlich 370 Bestattungen im gesamten Kempener Stadtgebiet, nur ein geringer Teil davon entfällt auf das kleine Bergdorf.

Wer eine pflegefreie Grabgestaltung wünscht, hat in Kempen und St. Hubert übrigens weitere Möglichkeiten: Dort werden Reihengrabstätten für Särge und Urnen angeboten, auf denen Rasen liegt. Die Stadt sorgt fürs Rasenmähen, die Hinterbliebenen müssen sich nicht kümmern. Eine weitere pflegefreie Möglichkeit gibt es auf dem Friedhof in Kempen: Dort können Urnen unter Bäumen beigesetzt werden, die Namen der Verstorbenen werden an einer zentralen Gedenkstele angebracht.

Natürlich gibt es auf den Friedhöfen auch noch die klassischen großen Gräber, die von der Familie oder einer Gärtnerei gepflegt werden. Wer die individuelle Grabpflege nicht scheut, kann bei Erdbestattungen auf allen drei Friedhöfen zwischen Reihengrabstätten und Wahlgrabstätten wählen, Urnen ebenso in Reihengrabstätten oder Wahlgrabstätten beisetzen lassen. Bei den Wahlgrabstätten, ob nun für Sarg oder Urne, kann die pflegeleichte Option gewählt werden.

Dabei fasst der Friedhofsträger nur einen Teil des Grabes ein, der Rest bleibt Rasen. Die eingefasste Fläche können die Hinterbliebenen dann individuell gestalten, etwa einen Grabstein aufstellen, Blumen pflanzen, eine Grabkerze hinzufügen. Auf diese Weise müssen Angehörige nur noch etwa ein Drittel der sonst üblichen Grabfläche bepflanzen und pflegen. Wer im Laufe der Jahre spürt, dass die Grabpflege doch sehr aufwendig ist und ein Drittel der Fläche durchaus reichen würde, um dort dann je nach Jahreszeit immer wieder neue Blumen zu setzen, kann sich übrigens an die Stadt wenden: Eine Umwandlung eines bestehenden Grabes in ein pflegeleichtes Grab sei jederzeit möglich, berichtete Patricia Schürmann, Leiterin des Grünflächenamts, bei der Vorstellung der neuen Grabanlage in Tönisberg.