Kempen: Wasserschippen bis zum Umfallen

Land unter in Kempen: Kurz nach 17 Uhr begann der große Regen. Die Thomasstadt wurde zu Klein-Venedig.

Kempen. Zuerst fängt es an zu regnen, dann wird es richtig dunkel. Schwere Hagelkörner trommeln gegen die Scheiben, die sommerliche Schwüle weicht kalter Gewitterluft.

Trotz Unwetterwarnung kam der Starkregen, der gegen 17 Uhr über Kempen hereinbrach, für die meisten Thomasstädter überraschend. Zuerst sah es so aus, als treffe die Warnung des Deutschen Wetterdienstes für den Kreis Viersen auf Kempen nicht zu. Doch dann kam genau das: Heftige Gewitter, Regen und Hagel. Die Telefonleitungen der Feuerwehr waren derart überlastet, dass die Polizeileitstelle in Viersen die Anrufe übernahm.

"Jetzt weiß ich gar nicht, wie ich nach Hause kommen soll", sagt Ursula Dahmen, die eigentlich nur in der City einkaufen wollte. Ihr Auto hatte die Unterweidenerin in der Tiefgarage nahe der Volksbank abgestellt. Nun pumpten Feuerwehrmänner die Tiefgarage aus, niemand durfte mehr rein. Böses Erwachen nach 45 Minuten, die sie sich in der Thomas-Apotheke untergestellt hatte.

Die Löschzüge Kempen und St. Hubert hatten um 17 Uhr bereits Übung im Kellerauspumpen. Wenige Stunden zuvor wurden sie als Verstärkung nach Willich gerufen, wegen des Unwetters.

"Total unübersichtlich" war es anfangs auch auf dem Baubetriebshof. Die erste Maßnahme: Alle Straßen der Innenstadt sperren, die Gullydeckel drohten hochzukommen. Polizei und Feuerwehr nehmen 300 Anrufe in 90 Minuten entgegen. Dann fiel auch noch kurzzeitig der Strom aus.

Ein Hausbesitzer an der Burgstraße half sich, indem er sein Auto querstellte. Der Grund: Viele Autofahrer fuhren dort, wo das Wasser Oberkante Bordsteinkante stand, deutlich schneller als Schrittgeschwindigkeit, wodurch Wellen entstanden, die die Keller noch schneller voll laufen ließen.

Beim Rundgang durch die Altstadt zwei Stunden nach dem Wolkenbruch sind Szenen zu beobachten wie aus einem Katastrophenfilm: Menschen eilen mit Eimern aus ihren Häusern, Gartenschläuche pumpen braune Brühe ab. In der Engerstraße parkt die Feuerwehr, der Keller der Volksbank an der Burgstraße steht 30 Zentimeter unter Wasser. Im Keller der Polizeiwache ging durch Wasserdruck eine Glastür zu Bruch. Bis Redaktionsschluss waren die Feuerwehrleute unermüdlich im Einsatz, ein vorläufiges Fazit war deshalb noch nicht zu erfahren.