Kempen: Die grünen Lücken waren schnell geschlossen

Vor zehn Jahren hinterließ ein Sturm in Kempen eine Spur der Verwüstung.

Kempen. In der Nacht zum 5.Juli 1999 ging in Kempen die Welt unter. Ein Sturm, der in der Nacht zu Montag gegen 0.30 Uhr über der Thomasstadt fegte, löste Schäden in noch nie dagewesenem Ausmaß seit dem Zweiten Weltkrieg aus. "Das war wie bei Bombenangriffen 1944/45", erinnert sich Karl-Heinz Hermans an jene Kempener Nacht des Grauens vor zehn Jahren.

Der 79-Jährige war damals Bürgermeister und stand in der Verantwortung für seine Stadt. "Als ich am nächsten Morgen das Ausmaß der Verwüstung sah, hatte ich Tränen in den Augen stehen", sagt Hermans. Für ihn steht fest: Das war die schlimmste Naturkatastrophe des vergangenen Jahrtausends.

"Ich stand nachts mit meiner Frau Resi am Fenster und sah, wie der Gingkobaum sich fast bis zum Altstadtpflaster bog, aber nicht brach", erinnert sich Hermans. Viele andere Bäume schafften das nicht: Prächtige Gehölze, meist über 100 Jahre alt und mehr als 30 Meter hoch, knickten wie Streichhölzer. "Am Kuhtor war es schlimm, am Mühlenturm, auf dem Alten Friedhof, aber auch am Donkring", hat Hermans noch eine lebhafte Erinnerung.

Positiv hat Hermans im Gedächtnis, wie selbstlos die Feuerwehren der benachbarten und weniger betroffenen Städten sofort nach Kempen eilten. "Zuerst wurde der Ring freigemacht." Teilweise waren im Grüngürtel drei Drehleiterwagen im Einsatz. Allenthalben hörte man Kettensägen.

Stadtwerker aus dem gesamten Kreisgebiet waren in Kempen im Einsatz, um Stromanschlüsse zu reparieren. Der Bahnverkehr auf der Strecke Kleve-Krefeld war komplett zum Erliegen gekommen, zehn Züge fielen aus.

Was Hermans in den Tagen nach dem Sturm erlebte, macht ihn heute noch stolz auf seine Kempener. "Bereits am Tag nach dem Sturm sammelte Treppchen-Wirt Peter Roßlenbroich für neues Grün für Kempen."

Einer Welle der Hilfsbereitschaft- wirklich jeder krempelte die Ärmel hoch, nahm sich Urlaub und packte mit an- folgte eine noch nie dagewesene Sammel-Euphorie für neue Bäume. "Schließlich sollten die riesigen Lücken im Grünbestand wieder geschlossen werden."

Die Künstlerin Barbara Herrmann-Lange setzte diese Euphorie kreativ um und schraubte die Hilfsbereitschaft der Kempener weiter nach oben. Aus abgebrochenen Baumstümpfen machte die damals 42-Jährige Abdrucke mit Abtönfarbe und Japanpapier, mit deren Verkaufs-Erlös neues Grün gekauft wurde.

Die Stücke, die die Konfrontation von Kettensäge-Spuren mit Jahresringen in dramatischer Konzentration dokumentieren, waren im Nu weg und spülten mehr als 5000 Euro in den Spendentopf. "Ich werde heute noch oft auf diese Aktion angesprochen und habe im Atelier noch einige Restbestände", sagt die Galeristin von der Moosgasse.

Die Spenden-Aktionen gipfelten schließlich in einem Pflanzfest, für das unzählige Bürger sowie Firmenvertreter tief in die Tasche griffen und sich als Baumpaten zur Verfügung stellten.

Wenn Karl-Heinz Hermans sich heute bei seinen täglichen Radtouren durch die Stadt so umsieht, dann ist von diesem verheerenden Sturm vor zehn Jahren rein gar nichts mehr zu erkennen. Und wer es nicht weiß, ahnt noch nicht einmal, dass die Kastanie an der Burg 1999 noch als Fanal für den stürmischen Wüterich jener unsäglichen Montagsnacht herhalten sollte. Der Baum hat sich prächtig erholt, die Krone ist nachgewachsen und steht heute in voller Blüte.