Hunde trainieren Vermisstensuche in Willich Willichs Retter auf vier Pfoten
<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 1000078%;">Willich </irglyphscale></irwordspace> · In Willich ist neu eine Rettungshundestaffel der Malteser stationiert. Hier lernen Hundeführer und ihre Vierbeiner, wie man nach Vermissten sucht. Etwa nach Senioren, die an Demenz leiden und nicht mehr zurück finden.
Im Schiefbahner Seniorenheim Hubertusstift steht ein Hund im Flur. Schwanzwedelnd und sichtlich erwartungsvoll. Rüde Eloy ist vier Jahre alt, hat weiches, cognacfarbenes Fell – und eine besonders gute Nase. Die braucht er jetzt auch, denn Eloy soll eine vermeintlich vermisste Person finden. Fürs Training hat eine Seniorin ihr Zimmer verlassen und es sich zwei Stockwerke höher in einem Wohnbereich gemütlich gemacht. Hundeführerin Ute Bartsch hält Eloy etwas unter die Nase, durch das der Hund den Geruch der alten Dame aufnehmen soll: ihren Kamm. Ute Bartsch hält Eloy den Kamm hin und gibt ihm das Signal für die Suche. Er läuft los.
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen vermisst werden. Ein Kind ist von der Schule nicht nach Hause gekommen, ein älterer Mann nicht zum Abendessen heimgekehrt. Die Familie ist in Sorge, schaltet die Polizei ein. Und die ruft, wenn sie bei den Ermittlungen tierische Unterstützung braucht, Rettungshunde herbei. Sie haben gelernt, vermisste Personen zu finden.
Viele Hilfsorganisationen haben solche Rettungshundestaffeln, die im Notfall hinzugerufen werden können. Neu ist in Willich die Rettungshundestaffel der Malteser, die seit Oktober dort stationiert ist. Ihr gehören aktuell sechs Hundeführer mit ihren Hunden an – unter ihnen etwa ein Nova Scotia Duck Tolling Retriever, ein Golden Retriever, ein Border Collie und ein Holländischer Schäferhund (Herder), aber auch ein Mischling. Auf die Rasse komme es nicht an, sagen die Hundeführer, die Schnauze dürfe halt nicht zu kurz sein. Das Übrige lernen die Vierbeiner und ihre Menschen während der Ausbildung.
Die ist sehr aufwendig. Etwa zwei bis drei Jahre müsse man einkalkulieren, sagt Ute Bartsch, die die Rettungshundestaffel in Willich leitet. Der Hund komme quasi mit einem leeren Handwerkskasten, während der Ausbildung lerne er dann in hundespezifischen Modulen, wie man vermisste Personen suche und sich dabei nicht ablenken lasse – weder von einer klingelnden Straßenbahn in der Stadt, noch von aufspringendem Wild im Feld.
Der Hund lernt, der Spur der vermissten Person zu folgen. Und sein Mensch lernt, die Signale des Hundes zu lesen. Das allein kostet schon viel Zeit. Für die Mensch-Hund-Teams ist das Training zweimal pro Woche, bei Wind und Wetter, verpflichtend. Zudem wird jeder Hundeführer auch zum geprüften Einsatzsanitäter ausgebildet, damit er auch direkt helfen kann, wenn der Hund die vermisste Person gefunden hat, diese aber zum Beispiel verletzt ist. „Das ist kein Hobby, das ist Arbeit“, betont Ute Bartsch.
Es ist eine
ehrenamtliche Tätigkeit
Diese Arbeit nehmen die Zweibeiner in den Rettungshundeteams ehrenamtlich auf sich. Warum? „Weil es eine faszinierende Arbeit mit dem Hund ist und die Beziehung zwischen mir und dem Hund dadurch noch tiefer wird“, sagt Ute Bartsch, „und weil es mir wichtig ist, den vermissten Menschen zurückzubringen oder der Familie Gewissheit zu geben.“
Das sehen die übrigen Hundeführer der Staffel ebenso. Jana Schmitz etwa, die mit ihrem vierjährigen Herder Herri trainiert, Vermisste zu finden, und dabei feststellt, wie viel Spaß dem Hund die Nasenarbeit macht, neben der Unterordnung auf dem Hundeplatz, „er mag Suchspiele total gerne, das lastet ihn super aus“. Oder Andrea Schmitz, die für Golden Retriever Nanuk, gerade 15 Monate alt, nicht nur eine Ausbildung zum Therapiebegleithund begonnen hat, sondern mit dem Hund ebenfalls in der Rettungshundestaffel der Malteser trainiert.
Um die ehrenamtliche Arbeit zu finanzieren, sind die Malteser auf Spenden angewiesen. Und auf Menschen und Einrichtungen, die sie unterstützen. Dankbar sind sie deshalb für die gute Kooperation mit dem Seniorenheim Hubertusstift, das sich in einem Projekt für ein „demenzfreundliches Schiefbahn“ einsetzt.
Das Heim hat rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner, etwa ein Drittel ist an Demenz erkrankt. „Gott sei Dank kommt es nicht allzu häufig vor, dass eine Bewohnerin oder ein Bewohner vermisst wird“, berichtet Stephanie Becker-Vieten, Leiterin des Sozialen Dienstes im Hubertusstift, „aber es kommt vor.“ Entsprechend offen war man im Hubertusstift denn auch dafür, das Haus für das Training der Rettungshundestaffel zur Verfügung zu stellen.
Die Seniorin, die es sich zwei Etagen höher gemütlich gemacht hat, muss nicht lange auf den Hund warten. Nach dem Start – schnüffeln am Kamm und an der langen Leine loslaufen – biegt Eloy vom Flur in Richtung Aufzug ab. Das sei für den Hund eine besondere Herausforderung, erklärt Lutz Bartsch, der Hundeführerin Ute Bartsch und den jungen Rüden begleitet, sich aber im Hintergrund hält. Denn allein sind der Rettungshund und sein Hundeführer weder im Training noch im Ernstfall unterwegs: Ein sogenannter Flanker, eine zweite Person, begleitet die beiden. Auch er muss den Hund „lesen“ können, gleichzeitig das Team zu allen Seiten hin schützen, damit die Suche ohne Störungen voran geht. Nur zu dritt sind sie ein vollständiges Team.
Eloy steht vor dem Aufzug und starrt auf die Tür. Den Knopf kann der Hund nicht drücken, das übernimmt Frauchen, dann steigen alle in den Aufzug. Etage für Etage muss der Hund nacheinander prüfen: Ist die Vermisste hier ausgestiegen? Surrend fährt der Aufzug ein Stockwerk höher, die Tür öffnet sich. Eloy steigt aus, schnüffelt nach links, nach rechts – und setzt sich hin. Damit zeigt er an: negativ. Die gesuchte Frau ist hier nicht ausgestiegen. Auch diese Negativ-Anzeige will gelernt sein.
Also wieder ab in den Aufzug, Ute Bartsch drückt den Knopf, der Aufzug fährt ein Stockwerk höher. Eloy steigt aus – und läuft sofort ohne Zögern rechts um die Kurve. Schnurstracks biegt er in den Sitzbereich ab, steuert im Pulk der dort wartenden Menschen zielsicher die gesuchte Dame an und freut sich wie Bolle: Schwanzwedelnd steht er vor ihr, bekommt viel Lob und natürlich auch sein Lieblingsleckerchen. Das gibt es nur zum Rettungstraining und ist etwas Besonderes.
Stunden verbringen die Hundeführer, die Flanker und die Hunde mit dem Training, und mehrere Stunden kann auch die Suche nach einer vermissten Person im Ernstfall dauern, berichtet Lutz Bartsch. Mensch wie Hund sind dabei oft zügig unterwegs und hoch konzentriert. Das sei anstrengend. Entsprechend dürfen Zwei- und Vierbeiner nach einem Trainingstag oder nach einem Einsatz auch eine Pause machen, „die Seele baumeln lassen“, wie es Ute Bartsch formuliert. Es sei denn, es werde zum Beispiel ein Kind vermisst. Oder jemand, der dringend Medikamente brauche. Dann würden die Rettungshunde und ihre Hundeführer natürlich das Sofa Sofa sein lassen. Und aufbrechen zur nächsten Rettungsaktion.