Kardiologe im Hospital zum Heiligen Geist „Die Kempener sind hart im Nehmen“

Kempen · Weil bei einem Infarkt jede Minute zählt, unterhält das Hospital zum Heiligen Geist eine 24-Stunden-Herzkatheterbereitschaft.

 Auf dem Weg zur Chest-Pain-Unit: Oberarzt Rostom Gortamashvili (v.l.), Chefarzt Dr. Rostislav Prog, Claudia Meyer (Leitung Herzkatheterlabor) und Oberarzt Dr. Julian Schweitzer.

Auf dem Weg zur Chest-Pain-Unit: Oberarzt Rostom Gortamashvili (v.l.), Chefarzt Dr. Rostislav Prog, Claudia Meyer (Leitung Herzkatheterlabor) und Oberarzt Dr. Julian Schweitzer.

Foto: Birgitta Ronge

Man mag es kaum glauben: So mancher Patient mit akuten Schmerzen im Brustbereich wird keineswegs mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Zwar bringt der Rettungsdienst Patienten aus dem gesamten Umland, also auch aus Grefrath, Brüggen, Wachtendonk, Straelen oder Krefeld nach Kempen, aber Einheimische kommen mitunter auch selbst. „Die Kempener sind hart im Nehmen“, sagt Dr. Julian Schweitzer, „viele kommen zu Fuß und sagen: ,Ich habe Schmerzen in der Brust.‘“

Schweitzer ist Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II – Kardiologie und Intensivmedizin am Hospital zum Heiligen Geist in Kempen. Das Krankenhaus verfügt über eine so genannte Chest Pain Unit (CPU), zu Deutsch: Brustschmerzambulanz. Das ist ein Diagnostik- und Therapiebereich für Patienten mit akuten Schmerzen im Brustkorb. Das Ziel: einen akuten oder neu aufgetretenen typischen, aber auch atypischen Brustschmerz rasch abzuklären. Ist es ein Herzinfarkt oder nicht? Das soll durch kardiologisches Fachpersonal und spezielle Untersuchungen möglichst schnell geklärt werden, damit Menschen schnell behandelt werden und nicht an einem Herzinfarkt sterben. Dass Patienten in Kempen sehr gut versorgt werden, hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie bestätigt, die im Oktober die CPU am Kempener Krankenhaus zertifizierte.

Woran erkennt man
einen Herzinfarkt?

Das ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. „Manche Patienten sagen: ,Mir sitzt ein Elefant auf der Brust‘“, sagt Schweitzer. Andere haben das Gefühl, als würde ihnen ein Gürtel eng um die Brust geschnallt. Wieder andere haben Schmerzen im linken Arm oder im Unterkiefer. Es hängt auch vom Geschlecht ab, „Männer und Frauen spüren das anders“, sagt Schweitzer. „Es tut schon weh, und es geht nicht mehr weg“, betont Dr. Rostislav Prog. Er ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin II – Kardiologie und Intensivmedizin am Kempener Hospital. Häufig sei der Schmerz auch mit großer Angst verbunden, „man hat wirklich Angst, zu sterben.“ Warnzeichen kann es vorher schon geben, „wenn man mit Patienten spricht, haben einige schon seit Wochen Beschwerden, spüren etwa, dass sie schneller außer Atem sind“, sagt Prog.

Wie kommt der Patient zur CPU?

Durch ein Elektrokardiogramm (EKG) können Ärzte schnell sehen, was los ist. Patienten werden entweder durch einen Notarzt ins Krankenhaus gebracht, durch niedergelassen Ärzte eingewiesen oder kommen selbst. Viele Menschen täten sich schwer damit, die Notrufnummer 112 zu wählen, heißt es bei der Deutschen Herzstiftung dazu. Doch man sollte nicht zögern, falls man Anzeichen für einen Herzinfarkt bei sich oder einer anderen Person entdecke. Wer sich nicht zum Anruf unter 112 durchringen kann, sollte nicht grübeln, sondern sich in die nächste CPU bringen lassen – aber auf keinen Fall selbst fahren.

Was passiert im Krankenhaus?

Ein Beispiel: Der Rettungsdienst wurde gerufen, die Einsatzkräfte haben direkt vor Ort ein EKG gemacht und den Patienten zum Krankenhaus gebracht. Der Wagen hält an der Liegendanfahrt, weiter geht es in den sogenannten Schockraum, wo die Übergabe des Patienten stattfindet. Weitere Untersuchungen folgen rasch. Im Herzkatheterlabor kann ein Stent gesetzt werden, der das verschlossene Blutgefäß am Herzen offen hält. 20 Minuten sind das Ziel von der Übergabe des Patienten an der Tür bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Ballon bei lokaler Betäubung durch die Schlagader vom Handgelenk bis zum Herzen geführt wird. Je nachdem, wie es dem Patienten geht, kann er nach drei bis fünf Tagen das Krankenhaus wieder verlassen; musste er reanimiert werden, können es auch zehn Tage sein.

Kann man vorbeugen? Zu den Risikofaktoren zählen Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck und eine ungesunde Ernährung. Deshalb empfehlen Ärzte eine gesunde Lebensweise, den Verzicht auf Zigaretten, viel Bewegung. Auf einen Risikofaktor hat der Einzelne keinen Einfluss: auf das Geschlecht. Der Herzinfarkt gilt als typische Männerkrankheit, und tatsächlich sind Männer auch häufiger betroffen. Allerdings gehört der Herzinfarkt auch bei Frauen zu den häufigsten Todesursachen, heißt es bei der Deutschen Herzstiftung. Durch die Hormone sind Frauen in jüngeren Jahren in der Regel vor einer koronaren Herzkrankheit geschützt, der Herzinfarkt tritt oft erst nach der Menopause (Wechseljahre) ein. Doch sie verdrängen häufig Symptome, wollen keine Umstände machen. Das kann tödlich sein. „Haben Sie keine Angst, die 112 zu rufen“, raten deshalb die Experten im Kempener Hospital, „es kann Leben retten.“ Und das gilt übrigens zu jeder Uhrzeit: Viele Herzinfarkte und Schlaganfälle ereignen sich früh morgens, weil dann die Wirkung von Tabletten nachlässt, erklärt Prog, typisch sei der Zeitraum zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden. Doch es könne zu jeder Zeit passieren. Prog: „Der Herzinfarkt fragt nicht, wann er kommen darf.“