Post ohne Absender Kempenerin erhält mysteriöses Saatgut aus China
Kempen · Auch in Hessen gingen bereits Meldungen zu solchen Postzustellungen ein. Das Saatgut sollte keinesfalls ausgesät, sondern im Hausmüll entsorgt werden.
Zunächst hat Cornelia Stiepel sich gefreut. Einen Tag vor ihrem 51. Geburtstag am 4. Juli hatte sie eine Postsendung mit fünf Samentütchen in ihrem Briefkasten. „Eine Bekannte hatte mich vorher gefragt, was ich mir denn zum Geburtstag wünsche und da ich einen großen Garten habe, sagte ich ihr, ich würde mich über Aussaaten freuen, denn Blümchen sind immer gut“, erinnert sich die Kempenerin.
So war sie von der Zustellung an und für sich gar nicht so sehr überrascht – wohl aber darüber, dass der Umschlag ohne Absender, Beschriftung oder Aussaat-Empfehlungen bei ihr ankam. „Ich hätte sie in diesem Jahr ohnehin nicht mehr ausgesät, das macht man ja in der Regel nur bis Mitte Juni.“ Also legte sie die unbekannten Sämereien zunächst beiseite und fragte in ihrem Bekanntenkreis nach, was es denn damit auf sich habe. „Aber niemand hatte sie mir geschickt“, sagt Stiepel. „Es war nur ein Barcode darauf und ein Vermerk, dass die Samen aus China kamen.“
Die Tüten blieben zunächst unangetastet, bis vor wenigen Tagen eine Arbeitskollegin Cornelia Stiepel auf die merkwürdige Postsendung ansprach. „Sie sagte: ‚Hör mal, ich habe da was auf Facebook gelesen, in Hessen sind diese Briefe Gang und Gäbe. Man sollte sie sofort vernichten, denn sie könnten Viren enthalten‘“, sagt Stiepel. „Und ich dachte nur: Um Gottes Willen!“
Tatsächlich hat das Regierungspräsidium Gießen erst vor einer Woche eine Mitteilung zu derlei Postsendungen veröffentlicht. Darin heißt es: „Sendungen von unbekannten Absendern aus China, Singapur und anderen Staaten in Fernost enthalten Samentütchen, welche die Empfänger nicht bestellt haben.“ Dem Pflanzenschutzdienst Hessen seien zwei solcher Fälle aus Südhessen gemeldet worden. Die Sendungen sollten, so die Empfehlung der Pflanzengesundheitsexperten, im Hausmüll (Restmüll) entsorgt werden und dürften keinesfalls ausgesät werden oder in den Biomüll oder auf den Kompost wandern, da die Samen mit für unsere heimische Pflanzenwelt hochgefährlichen Viren, Bakterien oder Pilzen verseucht sein könnten.
Den Rat befolgte Cornelia Stiepel umgehend. „Ich habe meine Tütchen mit den Fotos aus Hessen verglichen und sie sahen exakt gleich aus. Ich hatte Angst und habe sie sofort weggeschmissen“, sagt sie. Im nachhinein bedauert sie allerdings, die Sendung nicht an die Polizei übergeben zu haben.
Bei der Polizei in Viersen
gingen noch keine Meldungen ein
Bei der Kreispolizeibehörde in Viersen sei das Thema bislang noch nicht bekannt, so Sprecherin Antje Heymanns. „Das hören wir zum ersten Mal.“ An anderen Orten in Deutschland muss es aber auch bereits Fälle gegeben haben. „1,38 Millionen Mal wurde unser Post dazu in den Sozialen Netzwerken geklickt“, sagt Oliver Keßler, Sprecher des Regierungspräsidiums in Gießen. „Wir hatten schon viele Anfragen zu dem Thema, zuletzt aus Speyer.“
Eine Samenart sei mittlerweile als Rosensaatgut identifiziert worden. Bei anderen Sendungen stehe die Zuordnung noch aus. Auch auf Krankheiten sei das Saatgut noch nicht untersucht worden. „Es wird angestrebt, diese Untersuchungen mit dem JKI (Julius Kühn-Institut) durchzuführen. Allerdings wird hierfür noch mehr Saatgut gleichen Typs benötigt“, heißt es aus Gießen.
Was genau es mit den Samen-Sendungen auf sich hat, das wisse man aber noch nicht. „Die Behörden unter anderem in den USA, Japan und China prüfen Presseberichten zufolge im Moment die Herkunft und versuchen auch den Zweck dieser Sendungen zu ermitteln“, so die Auskunft aus Hessen. „Ersten Vermutungen der Behörden in Übersee zufolge handelt es sich um eine Betrugsmethode, bei der Kriminelle sich in die Accounts von Versandplattformen wie Amazon und Co. der Empfänger einloggen und die Bestellungen aufgeben, um sich selbst positive Bewertungen zu vergeben.“
Aus pflanzengesundheitlicher Sicht seien die Sendungen illegal. Solche Sendungen würden von Beschäftigten des Pflanzenschutzdienstes üblicherweise bereits am Flughafen Frankfurt oder im dortigen internationalen Postverteilzentrum von Experten und dem Zoll zurückgewiesen. „Seit Dezember dürfen alle Pflanzen, lebende Pflanzenteile, Samen sowie fast alles Obst nur noch mit einem amtlichen Pflanzengesundheitszeugnis versendet beziehungsweise eingeführt werden“, so das Regierungspräsidium Gießen. Für einige Pflanzen, unter anderem für Kartoffeln, bestehe sogar ein generelles Einfuhrverbot. „Einzige Ausnahmen sind Früchte von Ananas, Kokosnuss, Durian, Banane und Dattel. Nur diese dürfen weiterhin ohne amtliches Pflanzengesundheitszeugnis in die Europäische Union eingeführt werden.“