Meinung Ein Politikverdrossenheits-Förderungs-Papier im Planungsausschuss
Die Kempener Fraktionen saßen vor einer Papier-Vorlage im Umfang des Telefonbuchs der Stadt Köln. Und dafür waren die Politiker auch selbst verantwortlich. Ein Kommentar von WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.
Bevor Marcus Beyer vor etwas mehr als einer Woche ins Technische Dezernat der Stadt Krefeld gewechselt ist, hat er seinen Schreibtisch im Kempener Rathaus lupenrein übergeben. Aus thematischer Sicht hat Beyer nämlich kurz vor seinem Weggang alles in die Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Planung und Klimaschutz gepackt, was er zu bieten hatte. Entstanden ist eine Tagesordnung mit umfangreichen, strittigen und emotionsgeladenen Themen, zahlreichen Klimaschutz-Aspekten und einer Fülle von Einzelanträgen. Mit dem Ergebnis, dass diese Tagesordnung in der mit der Politik vereinbarten Zeit von vier Stunden nie und nimmer zu schaffen war. Es war zirka 23 Uhr, als die Sitzung abgebrochen wurde und zahlreiche Tagesordnungspunkte immer noch nicht behandelt waren.
Dies ist auch passiert, weil sich die Fraktionen zu Beginn erst einmal eine gute Stunde über die Tagesordnung gestritten haben. Völlig zu Recht monierten die Grünen, dass ihre Klimaschutz-Anträge als „diverse“ unter Punkt 6 zusammengefasst waren. Während andere – zum Beispiel einer der CDU – für sich stehen bleiben durften. Im Zuge dieser Diskussion war es dem geschickten Vorgehen von Bürgermeister Volker Rübo und des Dezernenten Jörg Geulmann zu verdanken, dass es überhaupt mal losgehen konnte. Mit einer abgespeckten Tagesordnung, die es aber immer noch in sich hatte.
Die Fraktionen saßen vor einer Papier-Vorlage im Umfang des Telefonbuchs der Stadt Köln. Und dafür waren die Politiker auch selbst verantwortlich. Ausschussvorsitzender Detlef Krahé (SPD) wurde von Günter Solecki (Die Linke) zu Recht dafür kritisiert, dass er diese Vorlage mit seiner Unterschrift freigegeben hat. Beim Blick auf die Tagesordnung hätten alle Fraktionen im Vorfeld das Gespräch miteinander suchen müssen. Wofür gibt es denn einen Ältestenrat, wenn nicht für einen konstruktiven Austausch über die Sitzungsinhalte? Statt dieses Gremium oder einfach mal ein Telefon für eine Verbesserung der Lage zu nutzen, begaben sich die Fraktionen in eine öffentlichkeitswirksame Diskussion – ein gutes Jahr vor der Kommunalwahl.
All das mussten die zahlreichen Besucher, die überwiegend wegen der Themen „Kempener Westen“, „Baumfällung Hülser Straße“ und „Markt St. Hubert“ gekommen waren, über sich ergehen lassen. Wenn sich einzelne Vertreter von der polemischen Tagesordnungs-Debatte Stimmenzuwächse bei der nächsten Wahl versprochen haben, kann man ihnen nur sagen, dass das wohl nicht funktionieren wird. Im Gegenteil: So wie einige Bürger im Laufe des Montagabends schon vor den eigentlich entscheidenden Themen gegangen sind, werden sich womöglich auch einige von der Politik abwenden. Insofern war die Sitzungsvorlage ein Politikverdrossenheits-Förderungs-Papier.
Die Beratungen wurden den einzelnen Tagesordnungspunkten auch nicht gerecht. So durfte die Klimaschutzmanagerin Lisa Hans mit Blick auf die Uhr geschätzte fünf Minuten aus ihrem aktuellen Bericht referieren. Der Expertenvortrag zum Zentrenkonzept fand zu wenig Beachtung. Und der Antrag zum St. Huberter Markt wurde eine gute Stunde vor Mitternacht viel zu schnell vom Tisch gefegt.