Kreis Viersen: Die NSDAP in den frühen 1930er Jahren Nazis ersetzen Bürgermeister durch „fähigen Nationalsozialisten“
Willich/Vorst/Kaldenkirchen. · Im damaligen Kreis Kempen-Krefeld begann die NSDAP in den frühen 1930er Jahren, Parteimitglieder als Stadtspitzen einzusetzen.
Wie die Nationalsozialisten sich schon bald nach ihrem Machtantritt unliebsamer Landräte entledigten (in Preußen in den ersten drei Monaten 100 von 361), so wussten sie auch auf den Bürgermeisterposten vielerorts Parteigenossen zu platzieren. Im Kreis Kempen-Krefeld wurden nationalsozialistische Bürgermeister in den Gemeinden Oedt (Schorn, Parteieintritt 1. Februar 1932), Dülken (Simon 1. Februar 1932), Willich (Balthasar 1. Mai 1932), Bracht (König, 1. März 1932) und Vorst (Schneider 15. Dezember 1925) etabliert, wie Gerhard Rehm festgestellt hat.
Auf den ersten Blick ist man geneigt, wie im Falle des Landrates Odenthal, linientreue Gesinnung zu unterstellen, wenn sich Bürgermeister von 1933 bis 1945 im Amt befanden. Dass man allerdings nicht vorschnell urteilen darf, zeigt das Beispiel des Kaldenkirchener Bürgermeisters Bernhard Pauw.
Gauleiter stellte Bürgermeister kein förderliches Zeugnis aus
Seit 1923 Zentrumsmitglied und überzeugter Katholik, war er im Dezember 1922 zum Bürgermeister der Grenzstadt Kaldenkirchen gewählt worden, wo er in den sehr schwierigen Nachkriegsjahren mit Inflation und belgischer Besatzung hervorragende Arbeit leistete. Bald hatte er sich einen guten Ruf als „überaus fleißiger, tüchtiger und gestaltungsfähiger Verwaltungsbeamter“ erworben, fand jedoch bei den Nazis „keine Sympathien“. Im Gegenteil: Gauleiter Florian widersetzte sich 1934 massiv der Absicht, ihn erneut als Bürgermeister zu bestellen. Der Gauleiter wörtlich gegenüber dem Regierungspräsidenten: „Dr. P. hat eine Einstellung zu den heutigen Dingen, die dieses Vertrauen nicht zeitigen kann. Seine Einstellung entspricht in allen Dingen der des noch zentrümlich orientierten Teiles der katholischen Geistlichkeit. Statt mit gutem Beispiel als Beamter des Nationalsozialistischen Staates voranzugehen, tut er das Gegenteil. Unter diesen Umständen bitte ich vorsorglich schon jetzt, Dr. P. nicht wieder zu bestätigen, sondern ihn, dessen kommunal-politischen Fähigkeiten durchaus anerkannt werden, dahin zu versetzen, wo er weniger mit der katholischen Geistlichkeit in Berührung kommt.“
Zuletzt war Bernhard Pauw Gemeindedirektor in Vorst
Trotzdem blieb der kinderreiche Familienvater bis zum Kriegsende Bürgermeister der hart bedrängten kleinen Stadt, wusste sich innerlich widerwillig mit den Nazis zu arrangieren. Ohne in manchen Fällen mitschuldig zu werden, ist das nicht möglich gewesen. So sah auch er sich genötigt, die örtlichen Verwaltungsmaßnahmen sicherzustellen, die beispielsweise nötig waren, den Abtransport der Juden zu bewerkstelligen. Die innere Zerrissenheit mag man sich nur schwer vorstellen. Den Nazis blieb sie offenbar nicht verborgen, trotz mehrfacher öffentlicher Loyalitätsbekundungen des Bürgermeisters, die auch sie wohl als politische Pflichtübungen zu interpretieren wussten.
Als Pauw im April 1944 einen krankheitsbedingten Urlaub antrat, sah der Ortsgruppenleiter die Stunde gekommen, ihn „durch einen fähigen Nationalsozialisten zu ersetzen“. Im immer noch ungebrochenem Glauben an den „Endsieg“, war sich der Nazifunktionär sicher: „Nach dem Kriege wird Dr. P. im nationalsozialistischen Reich niemals Bürgermeister sein können.“
Die mühsame Abordnung des Dormagener Bürgermeisters Möllers nach Kaldenkirchen endete in der Auflösung der Verwaltung durch die Evakuierung der Stadt. Bemühungen des Landrates Odenthal, Pauw wieder in Kaldenkirchen einzusetzen, waren an der gegenteiligen Entscheidung von Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Florian gescheitert.
Nach dem Krieg war Pauw zunächst für kurze Zeit Bürgermeister von Breyell und Boisheim. Als Gemeindedirektor von Vorst fand er von 1951 bis 1958 seine letzte berufliche Betätigung. plp