Prognose der Landwirte Darum werden Milchprodukte teurer

Kempen · Mehr als die Hälfte der deutschen Milchmenge geht unter anderem als Käse oder Pulver ins Ausland. Wegen eines anziehenden Weltmarktes rechnen Branchenvertreter mit steigenden Preisen auch in deutschen Supermärkten.

Milchprodukte werden teurer. Das sagen zumindest die Landwirte.

Foto: dpa/Lukas Schulze

Die steigenden Weltmarktpreise bei Milchprodukten werden nach Einschätzung von Branchenvertretern über kurz oder lang in den deutschen Supermarktregalen ankommen. „Im Moment sehen wir einfach weltweit extrem steigende Notierungen, aber eben, dass hier in Deutschland der Lebensmittelhandel versucht aus der starken Position heraus, diese Erhöhungen nach vorne weiter wegzuschieben“, sagte der Co-Vorsitzende der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW, Hans Stöcker, am Donnerstag in Kempen.

„Aber es wird eben auch da zu Erhöhungen kommen müssen“, zeigte er sich mit Blick auf eine starke Nachfrage aus dem Ausland von einem Nachziehen der großen Lebensmittelhändler in Deutschland überzeugt. „Und von daher steht alles Richtung auf steigende Preise, denn nur steigende Preise im Markt können auch nachher weitergegeben werden in steigende Milchauszahlungspreise von den Molkereien.“ Aber es sei nicht mehr so, das alle Kontrakte zur gleichen Zeit abgeschlossen würden. Von daher sei es noch ungewiss, wann Preiserhöhungen kämen.

Seit Jahrzehnten hatten die Stichtage 1. Mai und 1. November eine große Bedeutung für die Milchwirtschaft. Zu diesen Zeitpunkten traten traditionell neue Lieferverträge der einzelnen Molkereien mit den Lebensmittelhändlern in Kraft. Rund um diese Stichtage konnte es dementsprechend zu Preisveränderungen für die Verbraucher bei Milch und zahlreichen Milchprodukten in der untersten Preislage kommen. Aldi galt dabei als Messlatte für andere große Händler und Ketten. Diese Stichtage waren bei Preissenkungen auch schon mehrfach Anlass für Milchbauern, für ein besseres Einkommen zu demonstrieren.

Die Tendenz gehe nun dahin, dass man doch „insgesamt etwas davon weggeht, dass alle Kontrakte zur gleichen Zeit im Halbjahresrhythmus gemacht werden“, erklärte Stöcker. Die Unternehmen versuchten, Kontrakte stärker auf ihre individuellen Produkte auszurichten.

Nach einem Bericht der „Lebensmittel Zeitung“ will Aldi bis Ende September die Halbjahresverträge für Milch auf Mehrjahresverträge umstellen. Aldi Nord und Aldi Süd verwiesen vor wenigen Tagen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf, dass die Preisfindung bei Milch „grundsätzlich dem Prinzip von Angebot und Nachfrage auf dem gesamten (Welt-)Markt“ folge und von weiteren Faktoren wie etwa Qualitäts- oder Nachhaltigkeitskriterien beeinflusst werde. Nur etwa ein Viertel der in Deutschland produzierten Menge an Milch werde durch den Handel vertrieben, mehr als die Hälfte gehe in den Export.

Der Erzeugerpreis sei deshalb nur zum sehr kleinen Teil vom deutschen Handel abhängig und werde insbesondere vom Weltmarkt beeinflusst. Aldi wolle dennoch dazu beitragen, dass weltmarktbedingte Rohstoffschwankungen bei Milch nicht zu Lasten der deutschen Landwirte gingen. Ein Modell dafür seien mittel- und längerfristige Lieferverträge, mit denen Molkereien langfristige Mengenabnahmen zugesichert und somit bessere Planungssicherheit gegeben werden könne. „So wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die angespannte Situation weiter zu lösen“, erklärten Aldi Nord und Aldi Süd. Aus kartellrechtlichen Gründen könnten keine Details genannt werden.

Die Liquiditätslage sei bei vielen Milchbetrieben angespannt, erklärte die Landesvereinigung. Gerade Futterkosten und staatlichen Auflagen für Natur- und Tierschutz verteuerten die Milchproduktion. Deshalb sei eine steigende Zahl an Betriebsaufgaben zu befürchten. Die Zahl der NRW-Milchviehhalter sank innerhalb eines Jahres bis Mai um 189 oder 3,6 Prozent auf 5055. Die Zahl der Milchkühe ging um 2,5 Prozent auf knapp 388 000 zurück. Das sind fast 30 000 Tiere weniger als 2015. Der Auszahlungspreis der Molkereien an die Milchbauern habe in den ersten vier Monaten 2021 im NRW-Durchschnitt bei 32,51 Cent je Kilogramm Rohmilch gelegen. Schon seit 2017 sinke er leicht ab.

In der Corona-Krise hätten die wichtigen Exporte gelitten, nu zögen diese aber wieder deutlich an. „Corona hat vieles durcheinander geworfen“, beschrieb Stöcker. Gerade aus China ziehe jetzt die Nachfrage nach Milchprodukten auf dem Weltmarkt an. Dabei gehe es um einen Reihe von Produkten wie Molkepulver, das als Tierfutter eingesetzt werde. Bei Käse seien die Notierungen ebenfalls steigend. Die Butternotierungen bewegten sich auf einem hohen Niveau. Stöcker geht davon aus, dass sich die Auszahlungen von Molkerei zu Molkerei unterschiedlich stark entwickeln werden nach dem jeweiligen Schwerpunkt der Produktion.

(dpa)