Protest der Flüchtlinge

Die Auszahlung der Leistungen in Gutscheinen empfinden die Betroffenen als unwürdig.

Kempen. Die Asylbewerber, die in den städtischen Unterkünften leben, protestieren gegen ihre Behandlung in Kempen. In einer Resolution, die mehrere Flüchtlinge an Verwaltung und Parteien geschickt haben, ist die Rede von „Stigmatisierung und Ausgrenzung“. In erster Linie beschweren sich die Asylbewerber darüber, dass die Stadt an der Praxis festhält, den Flüchtlingen Gutscheine für den Lebensunterhalt zu geben statt die Bezüge in bar auszuzahlen.

„Welcher Grund könnte vorliegen, wenn nicht ein letztlich rassistisch motivierter, der die Stadt Kempen hartnäckig an der Gutscheinregelung festhalten lässt?“, fragen die Flüchtlinge. Nach Angaben von Michael Stoffels (Flüchtlingsrat NRW) ist Kempen „eine der wenigen Kommunen in Deutschland“, die noch an der Gutscheinregelung festhalten.

Stoffels, der sich in Kempen für die Belange der Asylbewerber einsetzt, bezeichnet die Regelung als „böswillige und schikanöse Beschränkung“. „Jüngst gab es dafür ein Beispiel: Ein Flüchtling aus Tönisberg will für seinen krank im Bett liegenden Mitbewohner mit dessen Gutscheinen ein paar Lebensmittel kaufen. Die Entfernung zum Supermarkt in Neukirchen-Vluyn ist etwa vier Kilometer. Doch an der Kasse heißt es: Der Gutscheinbesitzer müsse selbst mit seinem mit Lichtbild ausgestatteten Ausweis vorsprechen“, berichtet Stoffels.

Die Unterkünfte in Voesch, Tönisberg und am Hüttenweg (zwischen Kempen und Oedt) sind aus Sicht der Flüchtlinge zu weit außerhalb gelegen. So befindet sich die Einrichtung in Tönisberg (Neuenweg 2) fast an der Stadtgrenze zu Neukirchen-Vluyn. Bis nach St. Hubert sind es knapp sieben Kilometer, bis nach Kempen zwölf. So sei eine Integration ins Stadtleben kaum möglich.

Die Flüchtlinge und Stoffels sehen jetzt die Stadt am Zug, zumindest an der Gutscheinregelung etwas zu ändern. Dazu gab es bereits Gespräche mit dem Beigeordneten Michael Klee. Und es gab eine Protestaktion im Oktober: Eine Woche lang verweigerten die Flüchtlinge die Annahme der Gutscheine.

Sämtliche Aktionen hatten bislang aber keinen Erfolg. „Herr Klee sagte uns in einem Gespräch eine Prüfung der Regelung zu“, berichtet Michael Stoffels. „Nun kam die Antwort. Es soll bei den Gutscheinen bleiben.“

Das bestätigt der Dezernent auf Anfrage der WZ. Allerdings seien der Kempener Verwaltung die Hände gebunden. „Das Asylbewerberleistungsgesetz ist Bundesgesetz“, macht Klee deutlich. „Und in diesem Bundesgesetz ist das sogenannte Sachleistungsprinzip vorgegeben.“ Heißt: Den Kommunen werde vorgegeben, einem Flüchtling die Leistungen in Gutscheinen auszuzahlen.

„Ich bin davon ausgegangen, dass die Bundesregierung das Gesetz noch in diesem Jahr novelliert“, erklärt Klee. „Deshalb habe ich den Flüchtlingen eine Prüfung in Aussicht gestellt.“ Passiert ist in Berlin aber nichts — wohl auch wegen der Bundestagswahl. Jetzt liegt es laut Klee an der neuen Bundesregierung, das Thema 2014 anzugehen. Bis dahin sei Kempen an das Gesetz gebunden und werde weiterhin mit den Gutscheinen arbeiten.

Und was ist mit den Kommunen, die diese Regelung selbstständig abgeschafft haben? „Ich werfe keiner Kommune einen Rechtsbruch vor“, sagt Klee. „Aber die Auszahlung von Bargeld ist nicht das, was das Gesetz vorgibt.“