Schornsteinfeger bringen Glück
Jürgen Strom steigt den Kempener schon seit 20 Jahren aufs Dach. Im Gespräch mit der WZ berichtete er von seinem Beruf.
Kempen. Glück — für Jürgen Strom bedeutet das in erster Linie Gesundheit. „Ich hatte mal vor Jahren einen Schlaganfall“, schiebt der 54-Jährige erklärend hinterher. Mit der WZ hat er sich kurz vor Silvester zusammengesetzt, weil er quasi von Berufs wegen ein Fachmann für das Glück ist: Der Anrather ist „Bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger“ in Kempen.
In den Tagen rund um die Jahreswende, aber auch bei Hochzeiten und ähnlichen Feierlichkeiten wird die Begegnung mit einem Schornsteinfeger von vielen Menschen als gutes Omen betrachtet. Den Beweis dafür liefert Jürgen Minten, der während des Interview-Termins in die WZ-Redaktion an der Moosgasse kommt. „So viel Glück schon am frühen Morgen“, sagt der Kempener spontan beim Anblick von Jürgen Strom und lacht. Dieser hat sich für den Fototermin mit Zylinder, Koller (so heißt die traditionelle schwarze Jacke mit den golden schimmernden Knöpfen) und weißem Mundtuch aber auch besonders symbolträchtig gekleidet.
In dieser Montur wird Jürgen Strom Anfang Januar mit einigen Kollegen auch dem Landrat in Viersen seine Aufwartung machen. Im Alltag setzt er den Zylinder nicht auf. Bei seinen üblichen Kehr- und Messarbeiten würde diese altmodische Kopfbedeckung keinen Sinn machen.
Seit 20 Jahren ist der Anrather Schornsteinfeger in Kempen. Rund 2400 Häuser — viele davon in der Altstadt — gehören zu seinem Bezirk. Früher waren es einige Dutzend mehr, doch seit das neue Schornsteinfeger-Handwerksgesetz am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, hat sich sein Beruf verändert.
Als Bezirksschornsteinfeger nimmt er zwar weiter „hoheitliche Aufgaben“ wahr, wozu zum Beispiel die Bauabnahme von Kaminen und die regelmäßige Begutachtung der Heizungsanlage („Feuerstättenschau“) zählt. Doch das Kehr-Monopol haben die Herren in Schwarz in ihrem zugeteilten Bezirk verloren: Hausbesitzer, die dies möchten, können sich zum Reinigen ihres Schornsteins auch Konkurrenten aufs Dach holen.
Auf Kempener Dächer steigt Jürgen Strom aber trotzdem regelmäßig. „Ohne Schwindelfreiheit könnte ich meinen Beruf gar nicht ausüben“, sagt er. Auf seinem Firmenfahrzeug führt er immer eine dreiteilige Leiter mit. Auch die Kehrhaspel (das Gerät mit dem sternförmigen Metallbesen), der Stoßbesen und die Rohrhexe mit der schweren Eisenkugel zählen zu seinen traditionellen Arbeitsgeräten. Bei der Überprüfung der Abgaswerte einer Heizungsanlage kommt dagegen modernes Messwerkzeug zum Einsatz.
Trotz eines Booms von Kaminöfen in den vergangen Jahren: In der Kempener Altstadt sowie in den Neubaugebieten gibt es immer öfter Häuser, in denen gar kein Kamin mehr gereinigt werden muss. „Fernwärme und der zunehmende Einsatz von Wärmepumpen ist eben schlecht für den Schornsteinfeger“, sagt Jürgen Strom dazu und seufzt. An eine Zukunft seines Handwerks glaubt er aber nach wie vor: „Die Ausbildungsklassen sind immer voll.“
Der Glaube, dass er und seine Kollegen Glück bringen, stammt übrigens aus dem Mittelalter. Glühende Asche, die aus den Schloten austrat, löste damals häufig verheerende Brände aus. Außerdem bedeuteten verstopfte Schornsteine einen kalten Herd und damit ein kaltes Heim. Der Kaminkehrer konnte dies alles durch sauber gehaltene Rauchabzüge verhindern und brachte das Glück ins Haus. Nach und nach entstand so die Legende, dass man einen der goldenen Knöpfe am Koller des Schornsteinfegers reiben oder den Mann selbst berühren muss, um Glück zu haben. Jürgen Strom sieht das ganz nüchtern: „Ich bin nicht abergläubisch.“