Babyboomer gehen in Rente Seniorenwohnungen im Kreis fehlen

Kreis Viersen · Der Kreis Viersen ist nicht auf den Wohnbedarf älterer Menschen vorbereitet, warnt das Pestel-Institut. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, fehlen Tausende Wohnungen für Seniorinnen und Senioren, heißt es in einer neuen Studie.

Die Bevölkerung wird auch im Kreis Viersen immer älter. Der Wohnungsmarkt ist darauf offenbar nicht vorbereitet (Symbolbild).

Foto: dpa-tmn/Malte Christians

Die Bevölkerung im Kreis Viersen wird immer älter. Das zeigt auch das letzte Kreismonitoring, das der Kreis Viersen Ende 2024 vorlegte. Ein Schwerpunkt in diesem Zahlenwerk: die Bevölkerungsentwicklung. Prognosen zufolge ist mit einer starken Zunahme hochaltriger Personen, also Menschen über 80 Jahre, zu rechnen. Gleichzeitig verringert sich die Zahl derjenigen, die im erwerbstätigen Alter sind. Das hängt mit dem demografischen Wandel zusammen, in dem vor allem die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, von besonderer Relevanz sind. Diese zwischen 1955 und 1970 geborenen Menschen scheiden in den kommenden Jahren verstärkt aus dem Arbeitsmarkt aus. Bis 2050 werden die Babyboomer Teil der Über-80-Jährigen sein, weshalb es dann sehr viele Menschen in dieser Altersgruppe geben wird.

Der Kreis Viersen kommt in die Jahre – doch der Wohnungsmarkt ist darauf nicht vorbereitet. Darauf macht das Pestel-Institut aufmerksam, das eine Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen gemacht hat. Das interdisziplinäre Forschungsinstitut mit Sitz in Hannover analysiert unter anderem Entwicklungen von Kommunen und Landkreisen, besonders für den Bereich der Wohnungsmärkte.

Das Problem: Die Babyboomer gehen bis 2035 komplett in Rente. Dann werden im Kreis Viersen rund 17 900 Menschen mehr im Ruhestand sein als heute – insgesamt nämlich rund 84 700, heißt es vom Pestel-Institut. Die Wissenschaftler warnen: „Der Wohnungsmarkt im Kreis Viersen ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen. „Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern.“ Der Kreis Viersen, so Günther, rase „mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu“.

Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gibt es aktuell rund 141 200 Haushalte im Kreis Viersen. In 36 Prozent davon leben Senioren. „Bereits heute braucht der Kreis Viersen rund 11 600 Wohnungen für die älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch diese Seniorenwohnungen gibt der Wohnungsmarkt im Kreis Viersen bei weitem nicht her“, sagt Matthias Günther. Und für 2045 ermittelt die Untersuchung bei den benötigten Seniorenwohnungen sogar einen deutlichen Anstieg: So wird der Kreis Viersen in 20 Jahren für rund 17 300 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen, die zum Leben im Alter passen.

Sanierungsoffensive für Wohnungen und Häuser gefordert

Eigentlich sei der Bedarf sogar noch höher, heißt es vom Institut. Denn ein Großteil der altersgerechten Wohnungen werde nicht einmal von Älteren bewohnt. Auch Familien nutzten oft den Komfort einer Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen: „Denn wo das Leben mit einem Rollator klappt, da kommt man auch mit einem Kinderwagen klar“, so Günther.

Er fordert deshalb nicht nur den Neubau von seniorengerechten Wohnungen, sondern auch eine Sanierungsoffensive für Wohnungen und Häuser im Eigentum von Seniorinnen und Senioren – rund 30 300 Haushalte sind das laut Pestel-Institut im Kreis Viersen. „Ob Eigenheim, Reihenhaus oder Eigentumswohnung – es ist wichtig, älteren Menschen für ihr Wohneigentum rechtzeitig einen Anreiz zu geben, ihr eigenes Zuhause seniorengerecht umzubauen. Dabei ist das Bad das A und O.“ Das Wichtigste seien große Bäder mit einer Dusche ohne Schwellen und Stufen.

Bei Senioren, die zur Miete wohnen, warnt das Institut vor Altersarmut. Bei vielen Babyboomern habe es immer wieder Phasen der Arbeitslosigkeit gegeben, außerdem hätten die geburtenstarken Jahrgänge oft zum Niedriglohn gearbeitet. Viele hätten eher eine kleine Rente, könnten sich die Miete nicht mehr leisten. In Zukunft, so Günthers Prognose, würden deutlich mehr Menschen als heute im Kreis Viersen auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.