Kempen „Stadtradeln“ — Interesse geweckt

Jetzt geht es los: Kilometer zählen und sich klimafreundlich fortbewegen. Wer will, kann jede geradelte Strecke über die Aktion dokumentieren.

Foto: Gerards

Kempen. Es gibt Städte, in denen hätte man am Freitagvormittag bei strömendem Dauerregen keinen einzigen Radler auf der Straße gesehen. In Kempen ist das anders. Regencape, Regenhose, überdachter Fahrradanhänger — so ausstaffiert fährt man zum Wochenmarkt in der Altstadt und lässt den Regen Regen sein.

Foto: Kurt Lübke

Beste Voraussetzungen, um Schönwetter für eine Aktion zu machen, die viele Mitmacher verdienen würde. Das Stadtradeln. „Dabei geht es darum, möglichst viele Strecken mit dem Rad zurückzulegen und das Rad möglichst viel in den Alltag einzubauen“, sagt Heinz Puster, der lokale Ansprechpartner der Aktion in Kempen.

Foto: kul

Jeder kann für die Stadt starten, in der er wohnt oder arbeitet. „Sie können sich einem offenen Team anschließen oder mit der Familie, dem Büro, Freunden, der Straßengemeinschaft ein Radfahrteam bilden“, sagt Felix Schütte, Organisator für den Kreis Viersen, und drückt Alexandra Bayer einen Flyer in die Hand. Die Kempenerin will sich im Internet schlau machen. Das Rad, mit dem sie zum Markt gekommen ist, ist nicht ihr einziges. „Ich habe mir extra ein Faltrad zugelegt, um auch mit der Bahn von Kempen zur Arbeit nach Krefeld-Linn fahren und das Auto stehen lassen zu können.“ Von diesen Klimaschonern könnte es mehr geben.

Hildegard Welter nimmt den roten Aktionsapfel gern entgegen. Auch sie ist mit dem Rad da. „Ich fahre 50 Kilometer die Woche“, schätzt sie, allein drei Mal nach Schmalbroich. Ihr Tacho hat für die vergangenen drei Jahre 3000 Kilometer gezählt.

Heide Illmann steckt einen Flyer ein. Sie fährt täglich acht Kilometer Rad. „Das Auto lasse ich zu Hause. Wo soll man hier in Kempen auch parken?“ Das denkt sich auch eine andere Kempenerin, die viel mit dem Rad unterwegs ist: „Mit der Aktion rennt man doch in Kempen offene Türen ein.“

Melanie Weber und eine Freundin steuern ihre Kinderwagen über das Pflaster des Buttermarkts. Stadtradeln? Das interessiert sie. „Da könnten wir doch unsere Radtouren zählen“, sagt sie. Sohn Nilo fährt bisher erst Laufrad - außer Konkurrenz. Ihn nimmt sie im Anhänger mit.

Kurzerhand hat sich Werner Fegers einen Schirm in der Buttermarkt-Kneipe „Falko“ geliehen und eine Plastiktüte über den Fahrradsattel gezogen. So ausstaffiert, trotzt der 77-Jährige dem Dauerregen und berichtet der WZ-Redaktion vor Ort — wegen der Witterung ausnahmsweise unter den Rathaus-Arkaden — von seiner großen Leidenschaft: „Schon als kleines Kind habe ich radfahren gelernt, mein erstes Rad hatte noch Holzfelgen“, erzählt der Ur-Kempener. Sein Auto nutze er kaum: „Das wird bald 25 Jahre alt und hat gerade einmal 100 000 Kilometer auf dem Tacho.“

Er nutze es eigentlich nur für den Großeinkauf. Werner Fegers ist auch im Rad-Club „Flotte Flitzer“ der örtlichen Senioren-Initiative (SI). Die mehr als 20 Mitglieder unternehmen zweimal im Monat eine kurze Tour (25 Kilometer). Alle vier Woche stehen 50 Kilometer auf dem Programm. „Wir sind alles Rentner, der Jüngste ist 25 Jahre alt“, erzählt Fegers. Er schätzt die Bewegung, die frische Luft - und das Kennenlernen sämtlicher Bauerncafés in der Region.

Eine radbegeisterte Kempenerin muss an diesem Tag wegen einer leichten Verletzung zu Fuß gehen: „Das Hubbeln über das Kempener Kopfsteinpflaster ist damit nicht so angenehm.“ Ansonsten mache sie alles mit dem Rad. Ihr Auto habe sie an die Schwiegertochter abgegeben. Sie ist zum Stand gekommen, um sich informieren zu lassen.

Ein Mann, der gerade zwei Tüten an den Lenker gehängt hat, schüttelt mit dem Kopf. „Ist nichts für mich. Ich bin froh, wenn ich gleich wieder zu Hause bin.“

Auch ein anderer Kempener ist skeptisch, was die Aktion betrifft. Er will nicht mitmachen, braucht diesen Anreiz nicht — den findet er schon selber. In Kempen sei er nur mit dem Rad unterwegs. „Und wenn ich mal in eine größere Stadt fahre, nach Krefeld oder nach Düsseldorf, dann pack ich das Rad auf den Träger am Auto, parke außerhalb und fahre dann mit dem Fahrrad in die Stadt“, berichtet er. Das schont die Umwelt und erspart die mühevolle Parkplatzsuche.

Hans Palm und seine Frau Renate haben sich fürs Stadtradeln bereits angemeldet. Sie wollen ab heute Kilometer zählen und damit bis zum 30. Juni das Kempener Stadtkonto mit CO2-Verzicht aufpolstern. Palm sagt: „Ein Anhänger und Radtaschen sind das A und O.“ Er mache so gut wie alles mit dem Rad. Seine TochterAndrea übrigens auch: „Seit ihrer Lehre fährt sie jeden Arbeitstag von Kempen nach Vorst und zurück“, erzählt Palm. Und das nun schon seit rund 30 Jahren. „Nur zwei Mal musste ich sie mit dem Auto abholen, weil sie im Schnee nicht weiter fahren konnte oder eine Panne hatte.“

Marcel Gellißen, Klimaschutzmanager der Stadt Willich, macht darauf aufmerksam, dass es bei der Stadtradel-Aktion auch eine besondere Wertung gibt, bei der Deutschlands fahrradaktivste Kommunalparlamente gesucht werden. Stadt- und Gemeinderäte können also auch für die Aktion in die Pedale treten.