Unbekümmert in den Karneval
Ein aus Norddeutschland stammender Mitarbeiter der WZ feiert seine jecke Premiere in der Thomasstadt.
Kempen. Weiberfastnacht — endlich auch auf den Straßen so richtig Fasching, äh Karneval! Aber mal ehrlich: Verkleiden und den ganzen Tag mehr oder weniger gute Lieder singen, das soll Spaß machen? Für mich jedenfalls ist es Neuland. Denn erst vergangenen Herbst bin ich aus Norddeutschland an den Niederrhein gekommen.
So wurde es Zeit, den Karneval richtig kennenzulernen. Doch ist auf den Straßen Kempens Donnerstag kurz nach 11 Uhr noch gar nicht viel los. Also gleich zum Rathaus. Hier tanzen die Clowns, Marienkäfer und Gefangenen schon eifrig drauf los. Kaum angekommen, wird „An der Nordseeküste“ gespielt. Sieht man mir meine Herkunft etwa an?
Gut, ich bin an der Ostseeküste aufgewachsen, habe dann aber in der Nähe der Nordsee studiert. Karneval spielt dort — Ausnahmen mögen es mir verzeihen — keine große Rolle. Als Kind haben wir uns zum Fasching, wie man bei uns oben vielerorts sagt, auch verkleidet. Aber das wahre jecke Treiben erlebe ich nun in Kempen das erste Mal.
„Einfach trinken, mitsingen und vor allem schunkeln. Schunkeln ist ganz wichtig“, sagt mir eine Närrin, nachdem ich erzählt hatte, dass das meine Premiere sei. Warum die Frauen an Altweiber die Männer mitfeiern lassen, will ich wissen. „Na, ein paar müssen doch dabei sein. Sind ja viele Junggesellinnen unterwegs“, lautet die Antwort.
Dann höre ich von links: „Hey Robin Hood, beschützt du mich vor dem Wolf?“ Klar doch. Aber Robin Hood? Ich bin doch Peter Pan!
Okay, wenn man nur den Hut sieht, kann man das verwechseln. Grünes Hemd und grüne Hose gehen dann unter. Und wer den Disney-Trickfilm nicht kennt, an dem sich mein Kostüm orientiert, kommt wohl ohnehin nicht drauf. Aber Robin Hood? Ich habe doch einen Dolch dabei, und keinen Bogen.
Dann wird es laut. „Helau“ von allen Seiten. Der Prinz Heinz II. und Prinzessin Hildburg I. (Kox) ziehen mit Gefolge ein. Die 13 Möhnen wünschen dem Paar viel Glück und haben die Glücksbringer gleich mitgebracht: die Führungsspitze der Stadt. So wird Beigeordneter Michael Klee zum Kleeblatt, Beigeordneter Hans Ferber zum Schornsteinfeger und Bürgermeister Volker Rübo zum rosa Glücksschweinchen. Bei so einem Glücksschweinchen „wäre es doch gelacht, wenn der Haushalt nicht ins Lot gebracht“, sagt eine Möhne.
Und Rübo weiß schon wie, dankt dem Prinzen, dass dieser hilft, die Stadtkasse zu füllen. Heinz II. hatte sich zuvor über die Parkplatzsituation und Knollen beschwert: „Ist die Prinzenfamilie im Einsatz, ist doch auch an verbotenen Stellen mal Platz!“
Nachdem Ferber und der stellvertretende Bürgermeister Otto Birkmann der Prinzenorden verliehen worden war, drehe ich eine Runde durch die Stadt. „Hallo Peter Pan“, höre ich es rufen. Endlich. Erkannt. Die Entscheidung zu Peter Pan war mir recht leicht gefallen: tolle Farbe, cooler Name, nie erwachsen, unbekümmert, sorgenlos — passt ja auch zu Karneval.
In der Stadt ist immer noch nicht viel los. Hier und da, vor allem in Banken, zumindest etwas. „Das war mal mehr. Aber der Prinz kommt noch“, erfahre ich. In einer Bank treffe ich die „Niersluder“. „Wo wir sind, ist immer Party“, versprechen die acht Frauen aus Kempen. Na dann, noch mal mit ihnen ins Rathaus — als hätte ich wirklich „Nein“ sagen können. . . Berührungsängste darf man im Karneval wahrlich nicht haben.
Im Rathaus ist es gefühlt noch voller, auf jeden Fall aber noch stimmungsreicher geworden. Wen wundert’s. Nur dass einige keine Kostüme tragen, finde ich schade. Aber Isi, Melli, Anke, Lolle, Uli, Sandra, Anne und Nicole — die „Niersluder“ — verbreiten wirklich Stimmung. Ein wenig Gequatsche, mehr Gesang und Tanz, nur geschunkelt wird gar nicht so sehr viel. Auf jeden Fall macht es tatsächlich Spaß, denn unbekümmert, sorgenlos und vielleicht nicht ganz erwachsen sind irgendwie alle. Ein Norddeutscher im Karneval? Gerne wieder. Rosenmontag kommt ja auch erst noch.