Volker Rübo: „Kempen für den demografischen Wandel gerüstet“
Zahlen der IHK haben Bürgermeister Volker Rübo nicht überrascht. Es sei schon einiges umgesetzt worden.
Kempen. Bürgermeister Volker Rübo ist nicht einverstanden mit der Industrie- und Handelskammer (IHK). Deren Volkswirt Rainer Növer hatte kürzlich eine Studie zum demografischen Wandel am Niederrhein präsentiert. Mit dem nicht wirklich überraschenden Ergebnis: Kempen wird älter — und kleiner: Bis 2030 wird ein Bevölkerungsrückgang um acht Prozent von knapp 36 000 auf etwa 33 000 prognostiziert.
Zudem gebe es einen Rückgang bei den Erwerbstätigen — und zwar um 24 Prozent. Laut IHK stehen „vergleichbare Kommunen“ besser da als Kempen. Bei den Erwerbstätigen gebe es im Durchschnitt einen Rückgang um 13,8 Prozent, bei der Bevölkerung um 6,1 Prozent.
„Mit solchen Rankings tue ich mich schwer“, sagt Rübo. „Die meisten Städte kann man nicht miteinander vergleichen.“ Mit der Forderung, dass die Kommunen sich verstärkt mit dem demografischen Wandel auseinandersetzen müssen, vermittele die IHK zudem, „dass wir das bis jetzt verschlafen haben“. Rübo: „Diesen Weckruf brauchen wir nicht. Bereits seit mehr als zehn Jahren befassen wir uns mit den Folgen.“
Zu den Lösungen des Problems zähle die Entwicklung neuer Baugebiete, „um junge Familien nach Kempen zu locken beziehungsweise sie hier zu halten“. „Anfang des Jahrtausends haben wir uns bei der Ausweisung neuer Gebiete zurückgehalten“, sagt der Bürgermeister.
Damals sei die „soziale Infrastruktur“ — zum Beispiel die Zahl der Kindergärten — nicht ausreichend gewesen. „Aber jetzt sind wir mittendrin in Planung und Umsetzung.“
So wird derzeit der erste Bauabschnitt An der Kreuzkapelle erschlossen. Die ersten Häuslebauer können bald loslegen. Der zweite Abschnitt folgt 2013 — und auch ein dritter ist in Planung. Weitere Baugebiete kann sich die Verwaltung im Westen im Anschluss ans Hagelkreuz-Viertel vorstellen.
Bei der alternden Gesellschaft werden dringend mehr Pflegeplätze benötigt. Zumal der Gesetzgeber darauf drängt, die Anzahl der Zweibettzimmer des Von-Broichhausen-Stiftes zu reduzieren. Bis 2018 müssen 80 Prozent der Räume eines Altenheims Einzelzimmer sein. „Das bedeutet, dass wir dort 40 bis 50 Plätze verlieren“, sagt Rübo.
Ein Neubau soll Abhilfe schaffen: auf dem Gelände einer früheren Tankstelle inklusive Garagen am Heyerdrink. „Dort sollen 70 bis 80 Pflegeplätze entstehen“, ergänzt der Bürgermeister. Allerdings müssten noch „einige Grundstücksfragen geklärt werden“. Was den Umbau des Broichhausen-Stiftes angeht, sei die Stiftung als Trägerin mit der Planung beschäftigt. Details gebe es noch nicht.
Die Stadt will auch auf die Kombination von stationärer und ambulanter Pflege setzen. Die private Pflege zu Hause müsse gefördert werden. „Deshalb planen wir ja in St. Hubert am Beyertzhof eine Kombination aus stationärer und Tagespflege“, ergänzt Sozialamtsleiterin Petra Sdunek.
Um der wachsenden Zahl von Senioren gerecht zu werden, sei die Schaffung von barrierefreien Wohnungen ein weiteres Standbein. „Da ist der Bedarf riesig. Das hat die Nachfrage an den Wohnungen der GWG an der Wiesenstraße gezeigt“, sagt Volker Rübo. Dort gab es 161 Interessenten für 22 Wohnungen.
In Innenstadtnähe sei es für die Stadt schwierig, weiteren Wohnraum dieser Art zu schaffen. Deshalb hofft Rübo auf private Investoren, die diesen Markt entdecken. So plant zum Beispiel Architekt Udo Thelen ein Mehrfamilienhaus mit barrierefreien Wohnungen am Donkring.
Und auch die Pläne des Fliesenhändlers Jörg Stahl, der in Tönisberg am Helmeskamp altengerechte Wohnungen errichten will, sollen umgesetzt werden — auch wenn sich der Baubeginn verzögert hat.
„Die Menschen können hier auch Arbeit finden“, sagt der Bürgermeister über den Wirtschaftsstandort, der der Stadtkasse meist stabile Steuereinnahmen garantiert. Damit das so bleibt, muss mehr Platz für Unternehmen her. „Dazu müssen wir über den Außenring“, sagt Rübo. Dies habe man in der Stellungnahme zum Regionalplan an die Bezirksregierung deutlich gemacht.
Dabei hat die Stadt die Flächen an der Kerkener Straße — im Anschluss an McDonald’s — im Auge. Dies seien aber langfristige Planungen. Kurzfristig werden die Gewerbeflächen am Krefelder Weg erweitert. Das soll spätestens 2014 geschehen.
„Kempen ist für den demografischen Wandel gerüstet“, findet Rübo. Bei allem, was eine Kommune tun kann, seien bei der Bewältigung der Probleme aber vor allem Bund und Land gefordert. Rübo: „Die Lösungsansätze müssen aus Düsseldorf und Berlin kommen. Vor allem dürfen die teuren Aufgaben nicht weiter bei den Kommunen abgeladen werden.“