Zwei Polit-Haudegen und der Kreis
Werner Reckermann und Klaus Mäurers erinnern sich an die Zeit vor 40 Jahren.
Grefrath. Sie necken sich: „Ach, der rote Baron!“ So begrüßt der Christdemokrat den Sozialdemokraten mit dem roten Käppi. Und dieser schmunzelt: „Meine Güte, was musste ich früher mit dir manchen Abend verhandeln, bis wir gemeinsam was für Grefrath erreicht haben.“
Ja, die beiden ehemaligen Grefrather Fraktionsvorsitzenden schätzen sich: Klaus Mäurers (CDU) und Werner Reckermann (SPD) resümieren im Gespräch, wie das damals 1975 war mit der Gründung des Kreises Viersen. Und was daraus geworden ist.
Werner Reckermann über das Interesse der Bürger am damals neuen Kreis
Das Jubiläum, der Kreis Viersen feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen, entlockt den beiden politischen Haudegen keine Jubelarien: „Dafür hat damals in Grefrath keiner ein Fenster aufgemacht“, meint Reckermann. Und will damit sagen: Für Grefraths Bürger war das kein weltbewegendes Thema. Das sieht auch Mäurers so: „Wozu brauchte man den Kreis? Wenn was anlag, ging man zum Amt nach Kempen, fertig.“
Kempen ist das Stichwort: Bis 1970 gehörte Grefrath zum damaligen Kreis Kempen-Krefeld. Danach — im Zuge der kommunalen Gebietsreform — zum neuen Konstrukt Kreis Viersen. Diese Änderung haute letztlich nach Einschätzung der beiden Polit-Ruheständler in Grefrath auch deshalb niemanden vom Hocker, weil viele noch an den Nachwehen der jüngsten Änderungen von 1970 zu knacken hatten.
„Dass Oedt und Grefrath seit damals eine Gemeinde unter dem Namen Grefrath bildeten, das beschäftigte vor allem die Menschen, die gegen eine Zusammenlegung waren, noch immer mehr als die Gründung des Kreises Viersen“, analysiert Reckermann.
Die beiden erzählen von Widerständen und Seilschaften, bis Mäurers schließlich meint: „Grefrath als Gemeinde musste erst mal funktionieren. Aber gut, wir wollten ja über den Kreis Viersen reden.“
Klaus Mäurers gibt die damalige Stimmungslage wider
Dieser neue Kreis wurde, da sind sich beide einig, eigentlich erst so richtig ein Thema, als der Kreistag gegen alle Widerstände von Kempen nach Viersen zog, als das Kreishaus 1984 endgültig fertig wurde. „Viersen? Da war doch Kaisers’ Kaffee und sonst nix. Da sollte man auf einmal hin?“, gibt Mäurers die Stimmung in Grefrath wieder. Reckermann ergänzt: „Und die Orientierung nach Viersen nahe bei Gladbach, das ging gar nicht, das war eine andere Welt. Von hier ging man zum Einkaufen lieber nach Krefeld, das ist heute noch so.“
Arrangieren indes musste man sich. Und so geht’s im Gemeinderat seitdem auch um Themen wie neue Zuständigkeiten und Kreisumlage. „Damals waren mehr Gemeinderäte auch im Kreistag, vieles war transparenter, das scheint heute nicht mehr so“, überlegt Mäurers. Mittlerweile sei der Kreis Viersen als übergeordnete kommunale Ebene „für die Grefrather zur Selbstverständlichkeit, aber zu mehr auch nicht“ geworden, so Reckermann.
Ähnlich sieht das Mäurers: „Der Landrat setzt ja eher auf eine Identifikation mit dem Kreis, aber so schnell geht das nicht.“ Vor allem die damals neu gebildeten Kommunen hätten noch mehr mit ihrer eigenen Selbstfindung zu tun, als sich mit dem Kreis zu identifizieren: „Da sind 40 Jahre längst nicht genug.“