Konzert: Der Mann am Klavier
„Paulchen“ Kuhn gastiert mit seinem Trio vor ausverkauftem Haus in Viersen. Ein Moment fürs Schatzkästchen der Erinnerung
Viersen. Das Paul Kuhn Trio um den „Mann am Klavier“ aus Wiesbaden gastierte am Freitag auf Einladung des Jazz Circle Viersen im ausverkauften Weberhaus vor 200 Zuhörern. Die erlebten eine wundervolle musikalische Zeitreise in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, also in die Jugendzeit des heute 83-jährigen Pianisten. Kuhn selbst machte seinem Namen als swingender Jazzer alle Ehre, bestach aber auch durch sensible Selbstironie.
Von schallendem Beifall empfangen, kokettiert Kuhn mit seiner Sehschwäche: „Ich muss erst mal die richtigen Tasten finden.“ Er nickt in Richtung Kontrabassist Martin Gjakonovski, zählt einen Takt vor und beginnt mit „I remember April“. Zarter Schmelz schmeichelt dem Ohr, die Swing-Note geht unwillkürlich ins Blut und lässt einen leise mitschnippen. Nichts, so hat Kuhn in einem Interview einmal gesagt, wirke so belebend wie eine swingende Band — wie Recht er damit hat.
Jedes Solo findet beim Publikum Beachtung, die Zeit zwischen zwei Songs moderiert Paul Kuhn als erfahrener Conferencier der alten Schule mit trockenem Humor. Das „Mädchen von nebenan“ („The girl from nextdoor“) holt das Trio aus seiner Walzer-Melancholie heraus, interpretiert es (großartig am Schlagzeug: Willy Ketzer) als lebensfrohen Samba.
Kuhns sparsame Einzelnoten- und Akkordsetzung erstrahlt, kommt klar heraus, erinnert stilistisch an Art Tatum oder George Shearing. Darauf folgt — eingerahmt von Kuhns einleitenden Worten, allesamt kleine Geschichten aus der großen Jazzwelt — ein anspruchsvoller Charly Parker-Bebop mit angelupften Drums und starkem Bass-Solo.
Auch das American Songbook öffnet Kuhn und erzählt damit insgeheim von der Nachkriegszeit und von mit Zigaretten und Kaffee bezahlten Auftritten. Etwas Egalität schwingt in seiner nonchalanten Stimme bei „London by night“ mit — ein großer Sänger ist Kuhn nicht. Wohl aber eine deutsche Legende des Jazz, und als solche schenkte „Paulchen“ Viersen unvergessliche Momente fürs Schatzkästchen der Erinnerung.