Mutter des getöteten Luca missachtete Auflagen

Bei früheren Anhörungen vor dem Familiengericht gab die Mutter an, sich von Lucas Stiefvater getrennt zu haben. Er durfte laut Gerichtsbeschluss nicht mit dem Kind allein gelassen werden, was die Mutter trotzdem in Kauf nahm.

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Viersen. Die Polizei hat die Zeugenvernehmungen im Fall des getöteten Luca aus Dülken vorerst beendet. „Wir haben alle Zeugen aus dem Bereich der Familie und der Nachbarn gehört“, erklärte Staatsanwalt Jürgen Linges. Dem Freund von Lucas Mutter wird vorgeworfen, das Kind getötet zu haben. Seit der Festnahme hat er sich nicht mehr zu den Vorwürfen geäußert. „Auch wenn der Tatverdächtige weiter schweigt, haben wir bisher keine Erkenntnisse, die ein neues Bild ergeben, auch nicht zu der Frage der Täterschaft“, so der Staatsanwalt aus Mönchengladbach. Allerdings würde die Spurensicherung noch weiter arbeiten, zudem würden weitere rechtsmedizinische Gutachten erwartet.

Laut Stadt Viersen seien auch die Mitarbeiterinnen der Kita, die Luca besuchte, des Jugendamtes und des Allgemeinen Sozialen Dienstes als Zeugen vernommen worden. Die Akte des Jugendamtes sei dem Ersten Beigeordneten der Stadt Viersen, Paul Schrömbges, zufolge nicht beschlagnahmt worden.

„Das Jugendamt hat in diesem Fall alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, erklärte Schrömbges auf Anfrage. Tragischerweise seien diese vergeblich gewesen. Mehrfach habe das Jugendamt vor Gericht vorgetragen, doch der Junge sei immer wieder in die Obhut der Familie zurückgegeben worden. Nachdem Luca über die Misshandlungen durch seinen Stiefvater gesprochen hatte, war das Jugendamt Viersen aktiv geworden. Seit Juni 2013 wurde die Familie betreut, seit August 2015 gab es eine ambulante Betreuung.

Vor dem Familiengericht gab es zwei Anhörungen, einmal im Februar, einmal im April 2016. „Bei beiden Gelegenheiten hat die Mutter erklärt, dass sie sich von ihrem Freund getrennt habe, dass er nicht mehr in dem Haushalt lebe und dass es keinen Kontakt mehr gebe“, erklärte ein Gerichtssprecher.

Dennoch habe das Gericht Handlungsbedarf gesehen: Es sollte eine Therapie in der LVR-Klinik folgen, auch gab das Gericht ein Gutachten in Auftrag. Dieses sollte die Erziehungsfähigkeit der Mutter und eine mögliche Gefährdung durch den Lebensgefährten bewerten. Die Mutter sei als erziehungsfähig, der Lebensgefährte als nicht gefährlich eingestuft worden. Heute wisse man, dass diese Prognose in die falsche Richtung gegangen sei. Auch der Gutachter selbst räumt ein, „die Beziehung des Paares und auch den Mann selbst vollkommen falsch eingeschätzt zu haben“. Lucas Tod habe ihn vollkommen unvorbereitet getroffen. Heute wisse man auch, so erklärte der Staatsanwalt, dass die Mutter die Auflage des Familiengerichts missachtet habe. Demnach habe der Stiefvater nicht mit Luca allein sein dürfen. Allerdings, so gibt ein Gerichtssprecher zu bedenken, seien derartige Auflagen nur bedingt zu überprüfen, etwa durch eine Kontaktperson der Familienhilfe, die die Familie regelmäßig aufsuche: „Eine völlige Überwachung einer solchen Auflage ist aber nicht gewährleistet.“ Auch der Jugendhilfe-Ausschuss des Viersener Stadtrates hatte sich am Montagabend mit dem Fall Luca beschäftigt. Martina Maaßen, Vorsitzende der Bündnisgrünen, hatte eine Aufklärung über die Rolle des Viersener Jugendamtes gewünscht. Maaßen hätte sich insbesondere Informationen über den Verbleib von Lucas kleiner Schwester gewünscht, erklärte sie gestern. Von der Stadt hätte sie erwartet, dass sie die Fraktionsvorsitzenden über einen solchen Fall informiert hätte.