Neuansiedlung in Kaldenkirchen Logistikdienstleister ASC will in Nettetal 400 Jobs schaffen

Nettetal-Kaldenkirchen · Soeben erst in Kaldenkirchen angekommen und doch schon ein ehrgeiziges Ziel vor Augen: Das international tätige Logistikdienstleister-Unternehmen ASC will seine Niederlassung in Nettetal zu seiner Europa-Zentrale ausbauen.

Pakete, so weit das Auge reicht – und das soll erst der Anfang sein. In der Halle soll einmal auf drei Geschossen gearbeitet werden.

Foto: Holger Hintzen

Der geheime Ort, an dem der Weihnachtsmann all die auszuliefernden Pakete lagert, liegt in Nettetal. Auf die Idee kann kommen, wer in diesen Tagen die riesige Halle am Herrenpfad Süd betritt: Pakete, Pakete, Pakete – vorne noch ungeordnet aufgehäuft in metallenen Wagen, weiter hinten fein säuberlich gestapelt in langen Reihen. Pakete, so weit das Auge reicht. Statt Schlitten fahren Gabelstapler umher, die Belegschaft trägt Warnwesten in unterschiedlichen Farben – rote Mäntel und Bommelmützen? Fehlanzeige.

„Nettetal ist das Herz unserer europäischen Aktivitäten“

Okay, die Operationsbasis des Weihnachtsmanns ist es natürlich nicht. Aber für den regionalen Arbeitsmarkt wird der Betrieb zwischen all den Paketen eine nette Bescherung liefern, wenn gelingt, was sich Simon Sexton, Vice President of Sales Europe des Logistikunternehmens Advanced Supply Chain (ASC), vorgenommen hat. „Nettetal ist das Herz unserer europäischen Aktivitäten, der Hub unserer Anstrengungen in Europa zu wachsen“, sagt Sexton. Für Nettetal und die Region bedeutet das zunächst einmal: Die zurzeit 135 Männer und Frauen zählende Belegschaft soll bis Ende 2026 auf 400 wachsen. Und wenn es nach Sexton geht, später auch einmal darüber hinaus.

Immerhin rund 69 Millionen Euro hat ASC als Teil der britischen Reconony Gruppe im Kaldenkirchener Gewerbegebiet investiert, um dort die Keimzelle einer Europa-Zentrale zu schaffen. Bereits jetzt trudeln Pakete aus ganz Europa am Herrenpfad ein. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Pakete mit Waren, die Kunden in Online-Shops bestellt haben und an den Anbieter zurückgesendet haben. Da ein Branchenriese wie Zalando schlecht jedes einzelne Paket von Frau Müller, Monsieur Paletot und Senorita Garcia einzeln in Empfang nehmen kann, bündelt ASC sie an mehreren Standorten in Europa und sorgt für ihren Transport nach Nettetal. Und dort beginnt dann die eigentlich interessante Arbeit.

Manager Simon Sexton spricht akzentfrei Deutsch: Sein Vater ist Engländer, seine Mutter Deutsche.

Foto: Holger Hintzen

Denn das Geschäftsmodell von ASC besteht nicht einfach darin, ein Transportdienstleister zu sein wie jede x-beliebige Spedition. In Nettetal öffnen Mitarbeiter sämtliche Pakete und begutachten den Zustand der vom Kunden retour geschickten Ware. Die Frage lautet: Was ist noch so gut in Schuss, dass es wieder in den Online-Shop wandern und erneut verkauft werden kann? Bei rund 40 Prozent der Waren treffe das derzeit zu, sagt Sexton.

Allerdings müssen die Mitarbeiter von ASC dabei öfters nachhelfen. Bislang haben sie es nur mit Textilien und Schuhen zu tun. Mit Schwämmchen eine kleine Macke wegpolieren, kleinere Verunreinigungen entfernen, auch mal was Nähen – mit solchen Handgriffen soll dafür gesorgt werden, dass die Produkte wieder in den Handel gelangen können, statt auf dem Müll zu landen. Die restlichen 60 Prozent der Waren, die ASC für nicht geeignet für den Wiederverkauf hält, gehen ebenfalls an den Anbieter der Waren zurück. „Der muss dann entscheiden, was er damit macht“, sagt Sexton.

Der Ehrgeiz des Managers liegt darin, möglichst viele Waren wieder in den Handel zu bringen – zum Nutzen seiner Kunden und im Namen der Nachhaltigkeit. Letzterem Zweck dient auch die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der Betrieb arbeite zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, sagt Sexton. Auf dem Parkplatz neben der Halle stehen etliche E-Ladesäulen.

Und das alles soll erst der Anfang sein. In der 21.647 Quadratmeter großen Anlage werden die Pakete derzeit nur im Erdgeschoss umgeschlagen. Der Plan ist, einmal auf drei Geschossen zu operieren. Betriebserweiterungen auf weiteren Flächen am Herrenpfad gehören ebenso zu Sextons Vision wie das Ziel, neben Textilien und Schuhen demnächst auch von Online-Shoppern zurückgeschickte Elektronikgeräte in Nettetal in Empfang zu nehmen, um sie dort auseinanderzunehmen und wertvolle und recyclingfähige Bestandteile zu sammeln.

Nettetaler Standort soll weiter ausgebaut werden

Wenige Monate nach dem Start und mit besonders vielen Retouren aus den „Black Week“-Angeboten und dem Weihnachtsgeschäft konfrontiert, arbeitet ASC noch zu einem nicht unerheblichen Teil mit Leiharbeitnehmern. Doch das will Sexton ändern. „Das Ziel ist, eine eigene Belegschaft zu haben“, sagt er. Eigene Mitarbeiter, die dauerhaft im Unternehmen bleiben, können etwa für die Aufgaben beim Upcycling der Waren gut geschult werden. Und auf zufriedene Mitarbeiter, die zu guten Konditionen beschäftigt werden, lege er auch Wert, gibt Sexton zu verstehen.

Apropos gute Bedingungen: Die sieht der Manager auch mit der Wahl des Standorts Nettetal erfüllt. Nicht nur, weil er sich Chancen ausrechnet, in dieser Region Personal rekrutieren zu können, sondern auch wegen der Anbindungen an Verkehrswege: Die großen Häfen von Rotterdam und Antwerpen liegen nah und das Gewerbegebiet liegt gleich an der Autobahn. Und in unmittelbarer Nähe ist der Rail Terminal zu finden, auf dem Cargobeamer Container von Lkw auf Schiene und umgekehrt setzt.