Hilfen und Konzept der Stadt Wohnungslos – zunehmend ein Problem in Nettetal
Nettetal · Die Stadt Nettetal muss immer öfter Wohnungslosen oder vom Verlust ihrer Wohnung bedrohten Menschen helfen. Angesichts des wachsenden Bedarfs hat sie ein neues Konzept entwickelt.
Das Problem ist vielschichtig. Wie akut es ist, lässt sich jedoch an einem einfachen Gradmesser ablesen. Im Jahr 2020 musste die Stadt Nettetal gemäß ihren gesetzlichen Verpflichtungen 47 Menschen einen Platz in der Notschlafstelle für Wohnungslose in Kaldenkirchen zuweisen. 2023 waren es 59 Personen. Auf den ersten Blick mag der Zuwachs um zwölf Personen nicht allzu dramatisch wirken. Zwei weitere Zahlen korrigieren diesen Eindruck aber. Die 46 Menschen verbrachten 2020 insgesamt 477 Nächte in der Notschlafstelle, die 59 Personen im vergangenen Jahr hingegen insgesamt 1.538 Übernachtungen. Ein Zuwachs um 222,43 Prozent hat die Stadt akribisch ausgerechnet. Und weil Wohnungslosigkeit oder der drohende Verlust einer Wohnung in Nettetal ein immer akuteres Problem wird, hat sich die Verwaltung auch Gedanken gemacht, wie sie ihm künftig noch besser begegnen kann. Nicht zuletzt geht es um die Frage, wie verhindert werden kann, dass Menschen ihre Wohnungen überhaupt verlieren.
Die Gründe für die Verschärfung der Situation seien vielfältig, so die Stadt. Neben individuellen Problemen, die zum Verlust einer Wohnung führen können – beispielsweise Sucht, Lebenskrisen, Straffälligkeit, Verlust des Arbeitsplatzes oder finanzielle Not aus anderen Gründen – machen sich auch allgemein wirksame Faktoren bemerkbar. „Die Energiekrise, höhere Lebenshaltungskosten, die Inflation und der angespannte Wohnungsmarkt tragen zu diesem Problem bei“, heißt es in dem neuen Konzept der Stadt. Es ersetzt eine Vorgängerversion aus dem Jahr 2017, das aufgrund der Entwicklung als überholt gelten darf.
Um in diesem Geflecht von Ursachen und Problemen vielseitige Hilfen anbieten zu können, arbeitet die Stadt mit anderen Institutionen und Wohlfahrtsverbänden, etwa mit Suchtberatung, Schuldnerberatung oder dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Viersen zusammen und kann Betroffenen Kontakte vermitteln. Aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen greift sie aber auch unmittelbar bei drohendem Wohnungsverlust ein, indem sie zum Beispiel für ausstehende Mietzahlungen erst einmal einspringt oder in Gesprächen mit Vermietern vermittelt, um den Verlust der Wohnung abzuwenden. „Im letzten Quartal des Jahres 2023 sprachen im Schnitt 85 Personen im Monat vor; Tendenz steigend“, heißt es in dem Konzept.
Ein wichtiges Instrument, um Wohnungslosigkeit zu verhindern, ist auch die Intervention bei Räumungsklagen. Zumal auch deren Zahl in Nettetal ein Problem ist. 2019 wurden 33 Klagen eingericht, 2020 waren es 28, 2021 schon 43, 2022 waren 59; und 2023 alleine bis Ende September 23. In vielen Fällen konnte eine Räumung abgewendet werden. Für solche Interventionen hat sich ein Vorgehen eingespielt: Wenn das Sozialamt – zumeist zuerst vom Amtsgericht – von einer Räumungsklage erfährt, kontaktiert es die betroffenen Personen, bietet Beratung und Vermittlungsgespräche mit Vermietern an.
Wenn alle Stricke gerissen sind und einem wohnungslosen Mensch – ohne Ansehen der Herkunft und Nationalität – eine Unterkunft verschafft werden muss, stehen im Benedikt-Labré-Haus in Kaldenkirchen in einer Notschlafstelle zwei Schlafräume mit Duschgelegenheit und Toilette zur Verfügung. Betrieben wird die Notschlafstelle im Auftrag der Stadt vom Rheinischen Verein für katholische Arbeiterkolonien. Darüber hinaus hat der Verein in dem Haus weitere 30 Plätze eingerichtet, in denen Wohnungslose ein vorübergehendes Zuhause finden können und betreut werden.
Der Vertrag, den die Stadt mit dem Verein über den Betrieb der Notschlafstelle geschlossen hat, läuft Ende nächsten Jahres aus. Im Vorfeld einer Verlängerung will die Stadtverwaltung auch mit dem Verein gemeinsam überlegen, ob und wie das Angebot noch weiterentwickelt werden kann.