Auf der Kuh zur Tanzfläche So waren die Bergfeste in Hinsbeck
Nettetal-Hinsbeck · Boxwettkämpfe, Fuchsjagd, Feuerwerk – mit seinen mehrtägigen Bergfesten lockte der Verkehrs- und Verschönerungsverein Hinsbeck tausende Besucher an – und sorgte für eine gute Einnahmequelle für seine Vorhaben. Ein Rückblick.
Als sich im Jahr 1907 der Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) Hinsbeck gründete, hatte er das Ziel, die touristische Entwicklung Hinsbecks zu verbessern. Um dafür an Geld zu kommen, veranstaltete er ein Jahr später ein erstes, dreitägiges Bergfest. Als Festplatz wurde eine rund 100 x 100 Meter große Fläche auf der Heide gegenüber dem Eingang zur Gerichtsstätte hergerichtet. Zum Fest schrieb die Presse, dass „zwei Riesenzelte, sowie Wein-, Bier- und Kaffeeausschank errichtet [waren]; ferner Glücks- und Verkaufsbuden. Auch für Belustigungen wie Turn-, Fußballspiele, Sacklaufen, Stangenklettern ist Sorge getragen…“ Die Zahl der Besucher wurde auf rund 6.000 Personen geschätzt, und das bei etwa 1.800 Einwohnern Hinsbecks. Mit dem stattlichen Gewinn konnte der VVV nun Teile des Ortes und der Höhen renovieren, neue Wanderwege anlegen und Wegweiser aufstellen.
Für das Bergfest 1909 ließ man ein Festzelt für 1000 Personen aufbauen, führte am Samstag ein Feuerwerk durch, hatte für Sonntag den Sportverein Hohenzollern aus Düsseldorf für Turnvorführungen eingeladen, und die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr Kaldenkirchen gab ein Konzert. Trotz des erneut guten Verlaufs war der Gewinn, aufgrund der hohen Ausgaben, nur gering.
Erst 1928 fand wieder ein Bergfest statt, diesmal durchgeführt nur mit Vereinen und Gruppen des Ortes. Die gesamte Heide wurde abgesperrt, nur vier Zugänge blieben offen. Die Musik stellte der Hinsbecker Musikverein, sechs Vereine beteiligten sich mit verschiedenen Ständen. „Buden, Karussells, Schießstände, Raritätenschauen, Tanzzelte usw. hatten auf den Höhen Aufstellung genommen und unterhielten aufs angenehmste“, so die Presse. „Nicht nur auf dem Festplatze, auch in den benachbarten Waldungen spielte sich ein lebhafter Verkehr ab.“ Am Montag fand eine von den Reitervereinen Grefrath und Hinsbeck veranstaltete Fuchsjagd statt, die ebenfalls viele Neugierige und Interessenten anlockte. Mit insgesamt etwa 8.000 Besuchern hatte das Fest einen überragenden Besuch.
Ab 1934 übernahm die NSDAP-Ortsgruppe die Organisation der Bergfeste und gab ihm die Bezeichnung „Hö-Hei-Hei-Fest“ (Höhen- Heimat- und Heide-Fest). Dank wechselnder Attraktionen wie eine große Waldkegelbahn und eine Schießbude (1934), Kinderschützenfest (1937), Boxveranstaltungen mit Kämpfern aus Kamp-Lintfort und Krefeld (1938 und 1939), blieb der Besuch gut. Mit Ausbruch des Krieges endete diese Zeit.
1952 veranstaltete der VVV Hinsbeck sein erstes Bergfest nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Neben einem Kirmesmarkt sowie großem Zelt mit Musik und Tanz fanden Freiluft-Boxwettkämpfe „namhafter deutscher Amateurboxer“ vom Krefelder Boxclub 1920 statt. Rund 10.000 Besucher dankten für den großen Aufwand. Das nächste Bergfest gab es zum 50-jährigen Bestehen des VVV im Jahre 1957. Das Zelt und die Kirmesbuden wurden auf dem damaligen Sportplatz, dem heutigen Höhen-Parkplatz vor der Jugendherberge, aufgebaut. Wie die Presse berichtete, zeigten am Abend im Festzelt die Radfahrkunstvereine Krefeld und ‚Opel’ Neersen ihre Künste, die großen Beifall fanden. „Zur Heideprinzessin wurde Gertrud Färvers (wegen ihrer Zartheit nur „Rehlein“ genannt) proklamiert, die die meisten Rosen für sich buchen konnte. Als dann noch ein bekannter ‚Jüüt’ auf einer schwarzen Kuh, die von der nahen Weide losgebunden worden war, über den Tanzplatz geritten kam, herrschte ausgelassene Fröhlichkeit im Zeltrund.“
Das letzte Bergfest veranstaltete der VVV Hinsbeck 1962. Es begann mit einem schweren Unfall, als der Festwirt Hans Witter beim Aufbau rücklings vom offenen Anhänger fiel und sich einen doppelten Schädelbasisbruch sowie eine Lungenquetschung zuzog. Für ihn sprangen beim Fest seine Kollegen ein, das Miteinander im Ort wurde noch hoch geschrieben. Im Mittelpunkt des Festes standen Darbietungen der Kunstradsportler vom Krefelder Radfahrverein 1900 und vom Tourenklub Schiefbahn, darunter auch einige Deutsche Meister. Die Presse berichtet weiter: „Eine Stunde später (nach den Vorführungen) versuchte ‚Peter‘, ein kleinwüchsiger Hinsbecker, ein Original und Amateur-Clown, gefüllt bis an den Rand des Fassungsvermögens, es den Radkünstlern gleich zu tun. Plötzlich stand er auf hartem Bretterboden bzw. Stuhl Kopf und betrachtete das Festtreiben aus der Umkehr-Perspektive. Das ließ Uschi Beckers, Deutsche Meisterin im Einerkunstfahren, nicht ruhen. Als sie einen Blumenstrauß für ihre Leistungen bekam, wählte sie ebenfalls diese unbequeme Position und drehte im Kopfstand ihre Ehrenrunde – welcher Anblick der erfreulichere war, darüber gab es keine Meinungsverschiedenheiten.“ Obwohl auch dieses Bergfest einen guten finanziellen Gewinn für die Kasse des VVV Hinsbeck brachte, kamen keine weiteren Feste mehr zustande. Der Aufwand wurde zu groß.