Stefani Pleines aus Nettetal Alle zwei Wochen ist Volkszählung an den Krickenbecker Seen

Nettetal-Hinsbeck · Für den Laien ist es ein unüberschaubares gefiedertes Völkchen, das sich auf den Krickenbecker Seen tummelt. Doch die Biologin Stefani Pleines blickt durch: Sie zählt alle zwei Wochen die Vögel auf den Seen.

Stefani Pleines benutzt auch ein Spektiv, um sich ein genaues Bild der Vogel-Bevölkerung an den Krickenbecker Seen zu machen.

Foto: Holger Hintzen

Der Himmel über Hombergen ist ein Potpourri aus Wolken und blauen Flecken. Ab und zu bricht die Sonne durch. Um kurz nach 9 Uhr sind kaum Spaziergänger und Radfahrer an den Krickenbecker Seen unterwegs. Prima Bedingungen für Stefani Pleines, sich aufs Rad zu schwingen und zur Vogelzählung aufzubrechen. Alle zwei Wochen ist Volkszählung beim Federvieh an Hinsbecker und Glabbacher Bruch, an Schrolik und Poelvennsee. Es gilt eine Tradition fortzusetzen, die Seltenheitswert hat. „Wir haben hier seit 1960 komplette Datenreihen über Wasservögel, das ist ziemlich einzigartig in NRW“, sagt Pleines. Will heißen: In kaum einem Naturschutzgebiet ist so genau und so lange beobachtet, wie sich die Wasservögel-Bevölkerung entwickelt hat. Für eine Biologin wie Pleines „sensationell“.

Dass es diese Datenreihe von rarer Länge gibt, ist Vogelkundlern zu verdanken, die als ornithologische Arbeitsgemeinschaft schon vor Gründung der Biologischen Station an den Krickenbecker Seen Vögel registriert haben – in einem Gebiet, das seit 1938 unter Schutz steht. Für Wissenschaftler sind gute Datensätze immer Goldgruben. Zu wissen, wie sich die Artenvielfalt entwickelt hat, wie groß die Vogelkolonien sind, welche Tiere heimisch sind und welche durchziehende Gäste, hilft aber auch bei praktischen Entscheidungen, etwa bei der Frage, ob sich eine Entschlammung der Seen aus ökologischer Sicht lohnen würde. Stefani Pleines, Mitarbeiterin der Biologischen Station, meint: nein. Das lässt sich mit Beobachtungen an der Kälberweide begründen. Dieser auch durch Austorfen entstandene See wurde entschlammt. Doch seitdem wachsen kaum Pflanzen darin und auch für Wasservögel ist er uninteressant.

Bleibt die Frage: Wie zählt man Vögel eigentlich? Wie hält man bei Dutzenden flugfähigem Federvieh auf und über dem Wasser auseinander, welches Tier man schon gezählt hat oder nicht?

Der Fischadler ist ein Highlight
an den Krickenbecker Seen

Für Stefani Pleines ist das offenbar überhaupt kein Problem. Während sie den ahnungslosen Tour-Begleiter noch auf ein paar Vögel am Ufer des Hinsbecker Bruchs aufmerksam macht und gerade zu erklären beginnt, wie man sich einen See fürs Zählen in verschiedene Sektionen unterteilt, fliegt ein großer Vogel am oberen Rand des Blickfelds. „Ah, der Fischadler“, sagt Pleines, während der Laie noch hektisch versucht, den Vogel ins Sichtfeld des Fernglases zu kriegen. Den Fischadler – ein Highlight an den Krickenbecker Seen – schreibt Pleines mit Bleistift in ein kleines schwarzes Notizbuch und da landen nach und nach auch Enten, Graureiher und Co. Fünf Nilgänse werden auch eingetragen, allerdings unter Vorbehalt. Sind später auf einem der anderen Seen fünf Nilgänse anzutreffen, ist anzunehmen, dass es dieselben sind, die weitergeflogen sind.

Was wir mit Auge und Fernglas beobachtet haben, wird von anderer Stelle und aus anderer Perspektive noch einmal gecheckt. Pleines baut ein Spektiv auf, ein Fernrohr, das noch kräftigere Vergrößerungen und noch präzisere Beobachtungen über größere Distanzen bis ans gegenüberliegende See-Ufer zulässt. Damit wird aus einem braunen Klecks plötzlich eine Ente – selbst für den Laien. Aber während der sich noch müht, die Namen der laut Pleines an den Seen vorkommenden Entenarten ins Gedächtnis zu rufen – Stockente, Krickente, Schnabelente, Schnatterente, ähhh... – werden für die Biologin aus den braunen Klecksen auch gleich Männchen oder Weibchen. „Die Weibchen sind deutlicher gefleckt“, erklärt sie. Ach ja? Der Novize sieht nur Flecken, Flecken und noch mehr Flecken.

Das einzige Erfolgserlebnis des Tages kommt am Poelvennsee: Das Greenhorn zählt 45 weiße Höckerschwäne – Kunststück, größere und weißere Vögel gibt’s hier nicht. Pleines kommt auf 43, scheint sich aber nicht hundertprozentig sicher zu sein. „Einigen wir uns auf 44“, sagt sie – und schreibt’s ins Notizbuch!