Nettetal Örtliche Buchläden dürfen keine Schulbücher mehr liefern

Nettetal. · Zwei Nettetaler Buchhandlungen versorgten bisher die städtischen Schulen mit Lehrbüchern. Nun aber ging der Zuschlag nach Süddeutschland – per Losverfahren. Grund ist eine neue Gesetzesregelung. Politik und Buchhändler sind empört.

Ute Mausberg vom „Buchladen“ ist sauer, dass ihre Kollegin Andrea Jansen und sie die Nettetaler Schulen nicht mehr beliefern sollen.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Die Stimmung in der Kaldenkirchener Buchhandlung ist mies: „Es ist nicht zu fassen, da arbeiten wir viel und gut mit den Schulen zusammen, und auf einmal dürfen wir sie nicht mehr mit Schulbüchern beliefern“, klagt Andrea Jansen. Sie führt mit Ute Mausberg den „Buchladen“ in der Kaldenkirchener Fußgängerzone, und die beiden Buchhändlerinnen fielen aus allen Wolken, als sie von der Stadtverwaltung erfuhren: Für das nächste Schuljahr beliefere eine Buchhandlung aus Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg die Nettetaler Schulen. Abrupt beendet die Stadt so das traditionelle Verfahren, dass die beiden Nettetaler Buchhandlungen, der Buchladen und die Buchhandlung Matussek in Lobberich, im schuljährlichen Wechsel die Nettetaler Schulen beliefern.

„Zähneknirschend“ habe man in der Verwaltung diese Entscheidung treffen müssen, sagte Arndt Venten vom Fachbereich Schule, Kultur und Sport. Lieber hätte man die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Buchhandel weitergeführt. Im Ausschuss für Schule und Sport erläuterte er die Hintergründe: „Wir müssen uns an ein neues Gesetz halten, nach dem die Vergabe der Schulbuch-Lieferung ausgeschrieben werden muss.“ Überlegungen, ob und wie man die bewährte Praxis fortführen und die neue Regelung umgehen könne, habe die Revision, also die verwaltungsinterne Rechnungsprüfung, Einhalt geboten: „Wir sind halt dem geltenden Recht verpflichtet“, sagte Venten.

In der Politik kam diese Entscheidung nicht gut an, im Ausschuss war die Empörung auf allen Seiten groß. „Ärgerlich, sinnlos, absurd, das kann doch nicht wahr sein“, fasste CDU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Boyxen die Kritik zusammen. „Erzürnt“ sei der örtliche Buchhandel, stellte Renate Dyck (SPD) klar: „Mit solch absurden Aktionen, die niemandem nützen, wird der örtliche Einzelhandel kaputtgemacht.“ Vor einer „Existenzgefährdung unserer Buchhändler“ warnte Robin Meis (WIN).

„Wir sind selbst unglücklich, können diese Regelung nicht nachvollziehen, das haben wir auch unseren Buchhändlern erklärt“, sagte Jochen Müntinga, Geschäftsbereichsleiter Familie, Bildung und Soziales. Die Verwaltung berief sich auf europäische und bundesdeutsche Vorgaben. So ist nach Europa-Recht für die Vergabe von Aufträgen durch Kommunen üblicherweise eine europaweite Ausschreibung vorgesehen. Für rein länderspezifische Belange „unterhalb der EU-Schwellenwerte“, wie es im Beamtendeutsch heißt, müssen die Länder eigene Regelungen für landesweite Ausschreibungen erlassen. Und unter diese „Unterschwellenvergabeordnung“ fallen auch Schulbuch-Lieferungen.

Selbst für die Verwaltung „ist dieses Verfahren schizophren“, wie Venten zugab, schließlich gebe es die Buchpreisbindung, sodass alle Bieter die gleichen Leistungen vorweisen, sowohl beim Preis als auch bei der Rücknahme von Verpackungen. „Deshalb musste das Los entscheiden, und so bekam die Buchhandlung aus Süddeutschland den Zuschlag“, sagte Venten. Die ausgebooteten Nettetaler Buchhändler geben sich mehr als enttäuscht, zumal – so eine Andeutung – in der Branche gemunkelt werde, dass andernorts durchaus über sinnvollere Lösungen nachgedacht werde.

Einen „wichtigen Hauptbestandteil unseres Geschäfts“ nennt Ute Mausberg vom Buchladen die Schulbuchlieferungen, die nun wegfallen: „Ein herber Rückschlag.“ Zahlen werden offiziell nicht genannt, doch am Rande des Ausschusses war von einem Auftragsvolumen von 150 000 Euro pro Schuljahr die Rede. Mag die Gewinnspanne auch kleiner sein, für den Buchhandel, der sich gegenüber der Konkurrenz durch den Internet-Handel immer wieder neu aufstellen muss, ein Geschäft, „das wir Buchhändler bisher alle zwei Jahre fest eingeplant haben“, sagt Fabian Matussek. Der Lobbericher Buchhändler hofft, dass sich zum übernächsten Schuljahr „eine bessere Lösung zugunsten des Nettetaler Buchhandels finden lässt“.

Venten sagte zu, man wolle „nach Mitteln und Wegen suchen, die Nettetaler Buchhandlungen zu unterstützen“. Darauf drängte auch der Ausschuss, Dyck schlug „eine Protestnote“ vor. Da unklar war, an wen sich ein solcher Protest richten könne, meinte Boyxen: „Wir haben in der Politik zumindest das Recht, unserem Ärger Luft zu machen.“