Patienten vertrauen der Krebs-Klinik
Klaas Tulp suchte Hilfe im Krebszentrum in Bracht. Dort erhielt er das umstrittene Mittel 3-BP und Stammzellen aus Lammblut
Brüggen. Den Weg nach Bracht fand Klaas Tulp über das Internet. Im Februar war der 66-Jährige mit seiner Frau auf Reisen gewesen. Das Paar aus Drachten im niederländischen Friesland hatte Südafrika besucht, als es Klaas Tulp plötzlich schlecht ging. Er habe sich todkrank gefühlt, berichtete er gestern im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Ärzte im Krankenhaus in Kapstadt untersuchten ihn — und mussten ihm schließlich mitteilen, dass er an Krebs erkrankt war.
„Meine Frau und ich brachen den Urlaub ab und kehrten in die Niederlande zurück“, erzählt Tulp. Er war an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt, wurde operiert. Eine Chemotherapie lehnte er ab — auch deshalb, weil er von anderen Patienten gehört hatte, wie schlimm die Nebenwirkungen sein können. „Mein Verstand und mein Gefühl sagten mir, dass wir das nicht tun werden“, sagt Tulp. „Die Chemotherapie macht mehr kaputt, als dir lieb ist. Und ich höre auch auf mein Herz.“
Er suchte nach alternativen Behandlungsmethoden, stieß auf Kurkuma. Seitdem nimmt er zwei Kurkuma-Tabletten, morgens und abends. Er suchte weiter, stieß über die Internetrecherche auf das Biologische Krebszentrum in Bracht, und nahm Kontakt auf. „Das waren gute Gespräche“, sagt Tulp über die Unterhaltungen, die er anfangs mit dem Betreiber des Zentrums führte. Der Heilpraktiker habe ihm seine Methodik erläutert, ihm auch erklärt, wie lange die Behandlung dauere, und ihm Kontakt zu weiteren Patienten vermittelt. „Das gab mir Vertrauen“, erinnert sich Tulp. Im Mai begann er mit der auf zehn Wochen ausgelegten Krebsbehandlung in Bracht. Die umfasste unter anderem Infusionen mit dem umstrittenen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) sowie die Gabe von Vitamin C und Kurkuma.
Sein Heimatort Drachten liegt 260 Kilometer entfernt von Bracht. Für die Behandlung mieteten der Historiker und seine Frau ein Ferienhaus in der Nähe. „Wir taten so, als wären wir im Urlaub — aber natürlich war die Genesung das Ziel“, sagt Tulp. Im Gegensatz zu manchen Patienten, die über Crowdfunding Geld für die 9900 Euro teure Behandlung sammelten, oder anderen, die ihr Haus verkauften, habe er das Glück gehabt, die Behandlung zahlen zu können. „Glücklicherweise habe ich schon viel gemacht“, sagt der Niederländer, „ich habe das Leben gelebt, viele schöne Dinge erlebt. Aber 66 ist zu jung. Ich hatte noch so viele Pläne.“
Acht Wochen wurde er im Krebszentrum in Bracht behandelt. In der ersten Behandlungswoche gab es die Infusionen mit 3-BP täglich, in der zweiten Woche gab es sie drei Mal wöchentlich. Die dritte Woche wurde ausgesetzt, dann wurde die Behandlung wieder aufgenommen. „Man beginnt hochintensiv, und dann wird es weniger“, erklärt Tulp. Wie er hätten alle Patienten in Bracht dieselbe Behandlung bekommen, alle Krebspatienten seien dort mit 3-BP behandelt worden. Gegeben wurde eine Flüssigkeit, „ob die zuvor aus Pulver angerührt wurde, weiß ich nicht“, so Tulp.
Nach acht Wochen, Anfang Juli, bekam er hartnäckige Diarrhoe, musste die Behandlung in Bracht abbrechen. Im Krankenhaus daheim in Drachten stellten die Ärzte nach der Computertomographie fest, dass der Krebs gestreut hatte. „Sie sagten, ich sei austherapiert, und rieten mir, die letzten Tage zu genießen“, berichtet Tulp.
Er rief den Heilpraktiker in Bracht an, erzählte ihm, was die Ärzte gesagt hatten. „Er war damit einverstanden, dass ich Ruhe suchte“, sagt Tulp. Doch nach fünf Tagen habe er eine E-Mail erhalten: Der Heilpraktiker teilte ihm mit, dass es noch die Möglichkeit gebe, Stammzellen zu injizieren, gewonnen aus Lammblut. Drei Injektionen sollte Tulp bekommen, innerhalb von 14 Tagen.
Die erste Injektion bekam er auch — doch dann wurde das Krebszentrum geschlossen: Nach der Behandlung waren Ende Juli drei Patienten gestorben, zwei befanden sich in lebensbedrohlichem Zustand. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf, das Gesundheitsamt des Kreises Viersen entzog dem Heilpraktiker bis zum Abschluss der Ermittlungen die Berufserlaubnis im Kreis.
Er sei „traurig und erschrocken“ darüber, dass drei Menschen gestorben seien, sagt Tulp. Das gehe auch anderen Patienten des Heilpraktikers so. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe tauschen sich die Patienten aus, halten einander auf dem Laufenden. Die Wahrheit müsse gefunden werden, doch was nun passiere, sei eine Hexenjagd, meint der Niederländer. „Die Patienten sagen, sie vertrauen diesem Mann. Sie lassen ihn nicht fallen“, berichtet Tulp. Der Heilpraktiker habe Erfahrung und Kenntnis. Er habe Menschen behandelt, für die alles vorbei sei, habe versucht, mit ihnen die Krankheit zu besiegen, aber ihnen nichts versprochen.
Weil das Krebszentrum derzeit geschlossen ist, kann Tulp nun nicht weiter behandelt werden.