Prozessauftakt: Lkw-Fahrer bereut Unfall
Ein 49 Jahre alter Ukrainer muss sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten, nachdem er im Dezember betrunken mit seinem Sattelschlepper einen Streifenwagen rammte. Eine Polizistin kam dabei ums Leben.
Viersen. Der Angeklagte weiß noch, dass er auf einem Rastplatz nahe der niederländischen Grenze Wodka getrunken und Käse geschnitten hat. „Danach setzt die Erinnerung aus“, sagte am Dienstagmorgen der Verteidiger des 49 Jahre alten Ukrainers, der sich jetzt wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Lastwagenfahrer vor, betrunken auf der A 61 mit seinem Sattelschlepper einen auf dem Standstreifen abgestellten Streifenwagen der Kreispolizei Viersen gerammt zu haben. Bei dem Unfall wurde eine 23 Jahre alte Polizistin getötet. Die beiden Kollegen, die mit ihr im Auto saßen, wurden schwer verletzt. „Es tut ihm unendlich leid“, sagte der Verteidiger im Namen des Angeklagten.
Am Abend des 27. Dezember war der Polizei Viersen gemeldet worden, dass aus den Niederlanden kommend auf der A 61 ein betrunkener Lastwagenfahrer unterwegs sei. Der Lkw soll bereits im Nachbarland Zeugen aufgefallen sein, weil er Schlangenlinien fuhr. Die Besatzung des Streifenwagens sollte dabei helfen, ihn zu stoppen. Mit eingeschaltetem Blaulicht und Warnblinkanlage parkte die damals 48-jährige Polizistin, die am Steuer saß, das Auto zwischen den Auffahrten Viersen und Mackenstein auf dem Standstreifen. Laut Anklage sei der Sattelzug vom rechten Fahrstreifen ungebremst mit rund 70 Kilometern pro Stunde aufgefahren. Das Auto wurde etwa 200 Meter weiter geschoben. Die 23-jährige Polizistin, die links auf der Rückbank saß, starb noch am Unfallort.
Die Eltern der getöteten jungen Frau verfolgten als Nebenkläger den Prozessauftakt. Knapp eine Stunde und 40 Minuten dauerte der erste von voraussichtlich sechs Verhandlungstagen. Fast ebenso lange hielten sie sich an den Händen. Der Angeklagte sagte mithilfe einer Dolmetscherin aus, außerdem sprach sein Verteidiger für ihn. Als Zeugen sagten die Polizisten aus, die mit im Auto saßen. Bei beiden entschuldigte sich der Verteidiger im Namen seines Mandanten. Dieser wünsche, er könne die Zeit zurückdrehen.
Mit einer Ladung Holzkohle sei er am 21. oder 22. Dezember von Kiew in Richtung Belgien losgefahren, sagte der Angeklagte laut Dolmetscherin. Auf einem Rastplatz nahe der Grenze zu den Niederlanden habe er am Morgen des 27. Dezember gehalten. Er habe Schmerzen im Hüftbereich gehabt. Auf dem Rastplatz habe er einen russischen Lkw-Fahrer getroffen, der ihm gesagt habe: „Lass uns was trinken, dann kannst du gut schlafen.“ Mit zwei Kollegen habe er von etwa 13 bis 17 Uhr Wodka und Selbstgebrannten getrunken. „Wir haben viel getrunken.“ Sein Verteidiger hatte zuvor noch darauf hingewiesen, dass er auch Schmerzmittel „in rauen Mengen“ genommen habe. Er habe vorgehabt, erst am nächsten Vormittag weiter zu fahren, sagte der Angeklagte.
„Von dem Auffahrunfall wissen Sie gar nichts?“, fragte der Richter. „Überhaupt nichts. Ich weiß gar nicht, wie ich losgefahren bin“, ließ der 49-Jährige durch seine Dolmetscherin mitteilen. Er erinnere sich nur daran, dass er irgendwann bei der Polizei saß.
Der Verteidiger betonte, sein Mandant sei nicht vorbestraft, Familienangehörige hätten bestätigt, er habe kein Alkoholproblem. In seinem Sattelschlepper fanden Ermittler nach dem Unfall neben zwei leeren Bierdosen auch einen Drei-Liter-Schlauch Wodka, der halb geleert war. Eine Blutprobe nach dem Unfall hatte bei dem schmächtigen Mann 2,6 Promille ergeben. Er müsse „eine erhebliche Menge Alkohol“ getrunken haben, sagte der Richter. Ein medizinisches Gutachten zeige bei den Leberwerten Auffälligkeiten, „die in Richtung einer gewissen Alkoholgewöhnung“ wiesen. Der Angeklagte wehrte sich: Er sei bis vor einem Jahr sehr dick gewesen, habe stark abgenommen und deshalb eine Fettleber. Am Freitag, 15. Juni, wird der Prozess fortgesetzt.