Asylbewerber: Zu zweit auf zehn Quadratmetern

Viele Flüchtlinge müssen in Viersen jahrelang in Containern wohnen.

Foto: Kretzschmar

Viersen. Angst vor Nähe sollte man in Abus Zimmer nicht haben. Der Gang zwischen Couch und Schrank ist eng, nur einen Meter breit vielleicht. Abu und sein Mitbewohner teilen sich etwa zehn Quadratmeter in der Asylbewerberunterkunft an der Schmiedestraße in Süchteln. „Es geht mir gut“, sagt Abu.

92 Männer leben in den drei Wellblech-Containern der größten Viersener Unterkunft. Zwei stehen seit Mitte der 1990er-Jahre in dem Süchtelner Gewerbegebiet, einen weiteren hat die Stadt vor acht Jahren aufstellen lassen, nachdem es im Vorgänger-Container gebrannt hatte. Verletzt wurde damals niemand, die Polizei ging von Brandstiftung aus. Der Staatsschutz prüfte, ob es einen rechtsradikalen Hintergrund gab. Aufgeklärt wurde die Tat nicht, heute umgibt ein Wall das Gelände.

Bis vor einigen Monaten hatten viele der Männer jeweils eins der nummerierten Zimmer an der Schmiedestraße für sich. Doch seit der Stadt deutlich mehr Asylbewerber zugewiesen werden, müssen die meisten die Räume zu zweit nutzen. Auch sonst wird viel geteilt: die jeweils zwei Duschräume in den großen Containern, die Küchen, die Toilettenräume. Um etwas mehr für sich zu sein, müssen sich die Männer in ihre kleinen Zimmer zurückziehen.

Abu ist Anfang 20. Seit drei Jahren lebt er bereits in Süchteln, sein Deutsch ist gut. Wie lange er noch hierbleiben muss? Das weiß er nicht. Damit geht es ihm wie vielen anderen Bewohnern in der Unterkunft.

Bis der Antrag eines Asylbewerbers vollständig bearbeitet ist, vergehen häufig Monate und Jahre. Danach kann etwa ein Viertel der Asylbewerber nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bleiben: Weil der Asylantrag positiv beschieden wurde, Flüchtlingsschutz gewährt oder ein Abschiebungsverbot ausgesprochen wurde (Zahlen von 2013). „Wir hatten hier schon Bewohner, die mehrere Jahre in der Unterkunft gelebt haben“, sagt Claudia Ulonska. Sie kümmert sich bei der Stadtverwaltung seit sieben Jahren unter anderem um die Unterbringung von Flüchtlingen. Einige von ihnen bleiben auch noch jahrelang in Deutschland, nachdem ihr Antrag auf Asyl abgelehnt wurde: Zum Beispiel, weil ihre Herkunftsländer sie nicht wieder aufnehmen, oder weil sie nach einer Ablehnung nicht mitgeholfen haben, einen Pass zu beschaffen. Wie sie während dieser Zeit untergebracht werden sollen, ist umstritten. Insgesamt gibt es in Viersen vier Unterkünfte für Asylbewerber, verteilt auf alle Stadtteile. Seit die Zahl der Flüchtlinge gestiegen ist, hat die Stadt außerdem Wohnungen angemietet, in denen einzelne Familien unterkommen können.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete und Ratsfrau Martina Maaßen, die lange selbst mit Flüchtlingen gearbeitet hat, schlägt nun vor, die Sammelunterkünfte wie die an der Schmiedestraße auslaufen zu lassen. Stattdessen solle die Stadt private Wohnungen anmieten. „So würden die Asylbewerber deutlich besser integriert“, sagt Maaßen. Dass eine Integration im Wohnumfeld, ein Kontakt zu anderen Menschen in Viersen, an der Schmiedestraße kaum stattfinden kann, macht schon der Standort deutlich: Hinter dem Wall um die Unterkunft liegen ein Feld und mehrere Firmengelände, Wohngebiete hingegen sind weiter entfernt. Maaßen argumentiert weiter, dass zumindest in anderen Städten weniger für Asylbewerber ausgegeben werden müsste, wenn sie in Wohnungen lebten. Denn dann würden sich die Flüchtlinge selbst um ihre Wohnungen kümmern, meint Maaßen, und man bräuchte weniger Hausmeister.

Bei der Stadtverwaltung hingegen winkt man ab — schon aus praktischen Gründen: „Sie werden in Viersen keine 100 Singlewohnungen bekommen“, sagt Michael Theven, Fachbereichsleiter Soziales und Wohnen bei der Stadt Viersen.